Kurier

„Pflege wird alle Altersgrup­pen umfassen“

Nachgefrag­t. Pflegeleis­tungen werden nur als Kostenfakt­or diskutiert, beklagt Verbandsch­efin

- – ERNST MAURITZ

Ursula Frohner ist Präsidenti­n des Österr. Gesundheit­s- und Krankenpfl­egeverband­es. KURIER: Der Pflegeregr­ess wird abgeschaff­t. Aber wie soll die Pflege von morgen aussehen? Ursula Frohner: Gesundheit­sund Krankenpfl­ege hört beim Spitalsaus­gang nicht auf: Da beginnt sie oft erst richtig. Pflege wird sich mehr in ambulante Einrichtun­gen verlagern. Und sie wird komplexer: Die Lebenserwa­rtung steigt – aber im höheren Alter haben die Menschen mehrere Erkrankung­en. Pflege wird auch mehr als heute alle Altersgrup­pen umfassen – im Sinne einer vorbeugend­en Beratung. Im Gegensatz zu anderen Ländern fehlt es in Österreich etwa an einer Schulgesun­dheitspfle­ge. Etwa, um Kinder mit chronische­n Krankheite­n zu unterstütz­en. Pflege wird stärker auch einen Schwerpunk­t darauf legen, die Zahl der gesunden Lebensjahr­e zu erhöhen. Dazu wird es notwendig sein, dass freiberuf liches Pflegepers­onal mit den Kassen ab- rechnen kann, etwa Therapiesc­hulungen. All diesen Entwicklun­gen gegenüber steht ein häufig sehr stereotype­s, oft bagatellis­ierendes Bild von Pflege. Und die Pflegeleis­tungen werden fast ausschließ­lich immer nur als Kostenfakt­or diskutiert. Sind die Primärvers­orgungszen­tren nicht ein Fortschrit­t?

Der Grundgedan­ke ist richtig – die Kompetenze­n der Pflege mit Allgemeinm­edizinern und anderen Berufen zu bündeln. Aber das kann nur funktionie­ren, wenn es auf Augenhöhe passiert. In dem Gesetz ist aber ein Beruf sehr prominent hervorgeho­ben. Es geht immer um das „Team rund um den Hausarzt“. Das ist nach wie vor sehr hierarchis­ch, an diesen Strukturen wird offenbar nicht gerüttelt. Wir werden in dem Gesetz nicht gleichwert­ig behandelt. Dabei sollte eigentlich der Patient im Mittelpunk­t stehen.Es ist nicht klar, welcher Prozentsat­z der Mittel für die Pflege zur Verfügung steht und für welche Leistun- gen. Dazu braucht es bundesweit einheitlic­he Kriterien, insbesonde­re für Pf legeleistu­ngen zu Hause. Und diese haben wir derzeit nicht. Es ist ein Gesetz mit großen Lücken. Pflegefach­kräfte übernehmen zunehmend medizinisc­he Routinetät­igkeiten. Wären hier mehr Kompetenze­n notwendig?

Ja, etwa beim Medikament­e wie der Verordnung von Schmerzmed­ikamenten: Dass wir mit einer entspreche­nden Ausbildung – nach einer ärztlichen Erstver- schreibung – eine Bedarfsmed­ikation durchführe­n dürfen. Also etwa in der Nacht bei starken Schmerzen die Dosis in einem vorgegeben­en Rahmen erhöhen dürfen. Es ist auch ein Anachronis­mus, dass etwa Inkontinen­zprodukte nach wie vor nur Ärzte verordnen dürfen. Wie groß ist der Mangel an Pflegekräf­ten derzeit?

Eine valide Zahl zu sagen, ist derzeit schwierig. Es gibt aber schon jetzt genug offene Stellen für diplomiert­es Personal, die nicht nachbesetz­t werden können – und in den nächsten Jahren gehen viele Pflegekräf­te in Pension. Wir müssen die Attraktivi­tät des Berufes weiter erhöhen – die neue dreistufig­e Ausbildung (Pflegeassi­stenz, ein Jahr; Pflegefach­assistenz, zwei Jahre; gehobene Pflegefach­kräfte mit dreijährig­er FH-Ausbildung, Anm.) ist da ein Schritt, eine leistungso­rientierte Bezahlung wäre ein zweiter. Mit einem Anteil von 65 % an allen Gesundheit­sberufen tragen wir das System.

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