„Pflege wird alle Altersgruppen umfassen“
Nachgefragt. Pflegeleistungen werden nur als Kostenfaktor diskutiert, beklagt Verbandschefin
Ursula Frohner ist Präsidentin des Österr. Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes. KURIER: Der Pflegeregress wird abgeschafft. Aber wie soll die Pflege von morgen aussehen? Ursula Frohner: Gesundheitsund Krankenpflege hört beim Spitalsausgang nicht auf: Da beginnt sie oft erst richtig. Pflege wird sich mehr in ambulante Einrichtungen verlagern. Und sie wird komplexer: Die Lebenserwartung steigt – aber im höheren Alter haben die Menschen mehrere Erkrankungen. Pflege wird auch mehr als heute alle Altersgruppen umfassen – im Sinne einer vorbeugenden Beratung. Im Gegensatz zu anderen Ländern fehlt es in Österreich etwa an einer Schulgesundheitspflege. Etwa, um Kinder mit chronischen Krankheiten zu unterstützen. Pflege wird stärker auch einen Schwerpunkt darauf legen, die Zahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen. Dazu wird es notwendig sein, dass freiberuf liches Pflegepersonal mit den Kassen ab- rechnen kann, etwa Therapieschulungen. All diesen Entwicklungen gegenüber steht ein häufig sehr stereotypes, oft bagatellisierendes Bild von Pflege. Und die Pflegeleistungen werden fast ausschließlich immer nur als Kostenfaktor diskutiert. Sind die Primärversorgungszentren nicht ein Fortschritt?
Der Grundgedanke ist richtig – die Kompetenzen der Pflege mit Allgemeinmedizinern und anderen Berufen zu bündeln. Aber das kann nur funktionieren, wenn es auf Augenhöhe passiert. In dem Gesetz ist aber ein Beruf sehr prominent hervorgehoben. Es geht immer um das „Team rund um den Hausarzt“. Das ist nach wie vor sehr hierarchisch, an diesen Strukturen wird offenbar nicht gerüttelt. Wir werden in dem Gesetz nicht gleichwertig behandelt. Dabei sollte eigentlich der Patient im Mittelpunkt stehen.Es ist nicht klar, welcher Prozentsatz der Mittel für die Pflege zur Verfügung steht und für welche Leistun- gen. Dazu braucht es bundesweit einheitliche Kriterien, insbesondere für Pf legeleistungen zu Hause. Und diese haben wir derzeit nicht. Es ist ein Gesetz mit großen Lücken. Pflegefachkräfte übernehmen zunehmend medizinische Routinetätigkeiten. Wären hier mehr Kompetenzen notwendig?
Ja, etwa beim Medikamente wie der Verordnung von Schmerzmedikamenten: Dass wir mit einer entsprechenden Ausbildung – nach einer ärztlichen Erstver- schreibung – eine Bedarfsmedikation durchführen dürfen. Also etwa in der Nacht bei starken Schmerzen die Dosis in einem vorgegebenen Rahmen erhöhen dürfen. Es ist auch ein Anachronismus, dass etwa Inkontinenzprodukte nach wie vor nur Ärzte verordnen dürfen. Wie groß ist der Mangel an Pflegekräften derzeit?
Eine valide Zahl zu sagen, ist derzeit schwierig. Es gibt aber schon jetzt genug offene Stellen für diplomiertes Personal, die nicht nachbesetzt werden können – und in den nächsten Jahren gehen viele Pflegekräfte in Pension. Wir müssen die Attraktivität des Berufes weiter erhöhen – die neue dreistufige Ausbildung (Pflegeassistenz, ein Jahr; Pflegefachassistenz, zwei Jahre; gehobene Pflegefachkräfte mit dreijähriger FH-Ausbildung, Anm.) ist da ein Schritt, eine leistungsorientierte Bezahlung wäre ein zweiter. Mit einem Anteil von 65 % an allen Gesundheitsberufen tragen wir das System.