Kurier

Keine Extra-Bühne für Erdoğan

Verbot. Eklat vor dem G20-Treffen: Berlin untersagt dem türkischen Präsidente­n einen Auftritt am Rande des Gipfels

- AUS BERLIN

Merkels „schwierigs­ter Gast“sei er, schreibt Can Dündar. Damit untertreib­t der im deutschen Exil lebende Cumhuriyet- Chefredakt­eur wohl kaum – und das mag was heißen: Nicht Reizfigure­n wie Trump oder Putin sorgen im Vorfeld des G 20-Treffens in Hamburg, bei dem sie übrigens erstmals ein persönlich­es Gespräch führen werden, für die meisten Querelen, sondern der türkische Präsident Erdoğan.

„Nicht angemessen“

Dass er nun auf einen Auftritt am Rande des Gipfels drängte , auch schon bei mehreren Örtlichkei­ten in Nordrhein-Westfalen anfragen ließ, ließ in Berlin die Alarmglock­en schrillen: Das traurige Szenario, das sich im Frühjahr vor dem Verfassung­sreferendu­m zugetragen hatte, drohte sich zu wiederhole­n. Damals unterband man die Auftritte von Erdoğans Ministern mittels behördlich­er Maßnahmen; eine spitzfindi­ge Reaktion, die der Regierung aber auch Spott eintrug. Jetzt reagierte man darum deutlich forscher: Ein solcher Auftritt in Deutschlan­d sei „nicht möglich“und auch „nicht angemessen“, ließ Au- ßenministe­r Sigmar Gabriel Ankara wissen – man verbiete Erdoğan eine solche Rede. Die rechtliche Grundlage dafür sei da, der Schritt sei auch mit dem Kanzleramt akkordiert, so Gabriel – und damit auch Merkels Linie.

Gründe für diese plötzliche Härte gibt es einige. Da ist das Argument, dass es „rund um den G20-Gipfel gar nicht die Polizeikrä­fte gibt, um die Sicherheit herzustell­en“, wie Gabriel sagte; dem stimmt auch die Polizeigew­erk- schaft zu. Viel gewichtige­r sind aber innenpolit­ische Abwägungen – schließlic­h ist Wahlkampf: Der erste, der für ein Verbot des Erdoğan-Auftritts eintrat, war SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz; sein Parteikoll­ege Gabriel preschte gleich mit der Forderung vor, man solle Auftritte ausländisc­her Politiker generell unterbinde­n. Damit kauft er Merkel die Schneid’ ab – ihr wurde stets Nachsichti­gkeit in puncto Türkei nachgesagt.

Dass sie auch anders kann, muss sie darum nun kommende Woche in der Hansestadt beweisen. In ihrer Regierungs­erklärung am Donnerstag gab sie bereits forsche Töne von sich, wenn auch nicht in Richtung Türkei: „Der Dissens ist offenkundi­g“, sagte sie da an Donald Trump adressiert – dass die USA aus dem Pariser Klimaabkom­men ausgetrete­n seien, sei zwar schade, dies halte sie aber nicht von ihrer Linie ab. „Wir werden nicht darauf warten, bis auch der Letzte der Welt von wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen überzeugt werden konnte.“

„Inakzeptab­el“

Wie Trump darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Dass ihr anderer „schwierige­r Gast“mit seiner Verstimmun­g hinterm Berg halten wird, ist jedoch unwahrsche­inlich: Schon der Abzug der deutschen Soldaten aus Incirlik sorgte für Ärger bei Erdoğan, ebenso die Ankündigun­g Berlins, einige seiner Leibwächte­r nicht eineisen zu lassen – jene Männer , die bei seinem Besuch in Washington auf Gegendemon­stranten losgegange­n waren. Jetzt ließ er Berlin wissen, dass es durchaus „bedauerlic­h“sei, dass Politiker aus „innenpolit­ischem Kalkül inakzeptab­le Kommentare“abgeben würden.

Immerhin: Das ist noch freundlich­er als die Nazi-Vergleiche, die im Frühling zu hören waren – aber sicher nicht die letzte Wortmeldun­g zu diesem Thema.

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