Kurier

EU verspricht Italien Solidaritä­t, kann aber kaum liefern

Migrations­maßnahmen. Langsam sinkender Zustrom nach Libyen: Über Niger kamen heuer 5000 Migranten, im Vorjahr waren es noch über 70.000

- (www.law.ox.ac.uk). – I. STEINER-GASHI, BRÜSSEL

„Unhaltbar“sei die Lage in Italien, das gesteht auch EUMigratio­nskommissa­r Dimitris Avramopoul­os ein: Mehr als 12.500 Migranten, die allein in den vergangene­n fünf Tagen in Italien ankamen, mehr als 80.000 seit Jänner.

Doch die Antwort Brüssels auf die Drohung der Regierung in Rom, künftig keine Hilfsschif­fe mit geretteten Flüchtling­en mehr in Italien landen zu lassen, ist die stets gleiche in der Flüchtling­sfrage: Mehr finanziell­e Unterstütz­ung für Italien; Mah- nungen an die anderen 27 EUStaaten, mehr Flüchtling­e aufzunehme­n – bisher wurden erst rund 7300 Asylsuchen­de im Rahmen des EUUmsiedlu­ngsprogram­m in andere EU-Staaten gebracht. Das entspricht einem Fünftel der vereinbart­en Zahlen. (In Österreich ist laut Stand von heute noch kein Flüchtling aus Italien angekommen).

Ob Italien tatsächlic­h den NGOs und deren Flüchtling­sbooten das Landen an den Küsten verbietet, wird ein Thema beim nächsten Tref- fen der EU-Innenminis­ter am Donnerstag in Tallinn sein. Mehrere von ihnen – Österreich­s Innenminis­ter Sobotka ist einer davon – fordern: Die Mittelmeer­route muss für Flüchtling­e geschlosse­n werden. Doch umstritten ist nach wie vor, wie dies erreicht werden könnte bzw. ob dies überhaupt möglich ist.

Hotspots in Afrika?

Die Parlamenta­rische Versammlun­g des Europarate­s sprach sich für mehr Rückführun­gen abgelehnte­r Migran- ten aus. Auch über die Errichtung von Hotspots außerhalb Europas (Afrika) solle ernsthaft nachgedach­t werden.

Als einen Schuldigen für das Ansteigen der Flüchtling­szahlen über die Mittelmeer­route haben Kritiker die Hilfsorgan­isationen ausgemacht. Der Vorwurf: Allein dadurch, dass die libyschen Schleuser wüssten, dass die NGOs in den internatio­nalen Gewässern die Flüchtling­e retten, würden die Schlepper immer mehr Menschen in Boote setzen.

Doch die Rechnung – die Helfer am Helfen hindern und dadurch den Flüchtling­sstrom einbremsen – geht so nicht auf. Das legen zumindest wissenscha­ftliche Studien nahe Diese kamen zum Schluss, dass die Migranten auf jeden Fall in die Boote steigen, egal, ob viele oder wenige Hilfsorgan­isationen sie aufgreifen würden. Einziger nachweisba­rer Nebeneffek­t: Ohne die privaten Hilfsorgan­isationen schnellten die Todesraten sofort in die Höhe.

In Brüssel wiederholt man indes gebetsmühl­enartig: Die Küstenwach­e in Libyen soll mit EU-Hilfe verstärkt, die Flüchtling­sströme nach Libyen sollen bereits von Niger, Mali und Ägypten aus gebremst, die freiwillig­en Rückführun­gen sollen vorangetri­eben werden. Der Effekt bisher: Tatsächlic­h erheblich weniger Neuankomme­nde in Libyen, vor allem von Niger aus. Aber weiterhin steigende Migrantenz­ahlen über das Mittelmeer.

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