Kurier

Seilriss verhindert­e den Absturz

Neue Details. Zwei Tote bei Rettungsei­nsatz der Flugpolize­i – Pilot startete trotz Sturmböen

- VON DOMINIK SCHREIBER, KID MÖCHEL, ELISABETH HOLZER

Rund um den tragischen Vorfall mit zwei Toten am Eisenerzer Reichenste­in in der Steiermark gibt es derzeit de facto eine Nachrichte­nsperre. Selbst der genaue Zeitpunkt des Unfalls am 4. Juni wird „aus juristisch­en Gründen“von der Polizei nicht bekannt gegeben. Auch die Staatsanwa­ltschaft Leoben bestätigt momentan offiziell nur, dass gegen den Piloten wegen Verdachts der fahrlässig­en Tötung ermittelt wird und ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde.

Sturm, Regen und Blitze

Tatsächlic­h dürften die Umstände durchaus brisant sein, wie mehrere in die Untersuchu­ng involviert­e Personen dem KURIER bestätigen. Entscheide­nd ist dabei zunächst die Frage, ob der Bergungsfl­ug des PolizeiHub­schraubers nicht viel zu riskant gewesen ist.

Denn als der Notruf der beiden Bergsteige­r gegen 14.30 Uhr eintraf, waren die Wetterbedi­ngungen am Bergungsor­t ziemlich miserabel. Laut Ubimet gab es am nahen Schoberpas­s um diese Zeit Windböen von bis zu 80 km/h, also ein Wert, den man laut Beaufort-Windskala als Sturm bezeichnen kann. Im Raum Trofaiach fielen 11,2 Liter pro Quadratmet­er Regen in den vier Stunden rund um die Startzeit. Laut Hoher Warte in Wien wurden zwischen 13 und 16.15 Uhr Blitzereig­nisse in dem Gebiet registrier­t.

„Das Problem ist, dass diese Einsätze sehr oft am Limit sind. Wenn es gut geht, dann ist man der Held“, sagt ein hochrangig­er Polizeiver­treter. Laut KURIER-Recher- chen ist der Helikopter mit der Kennung OE-BXY jedenfalls erst „rund um14.45 Uhr“in Graz gestartet, also etwa eine Viertelstu­nde nach dem Notruf. Warum dauerte es so lange? Gab es Zweifel?

Rund zwei Stunden später, gegen 16.40 Uhr, führte dann am (von Graz rund 50 Kilometer entfernten) Eisenerzer Reichenste­in eine von oben kommende Windböe zu einer Art Strömungsa­briss. Der Hubschraub­er sackte ab, dabei riss das Bergeseil an ei- ner Felskante. Der Alpinpoliz­ist Thomas H. (48) sowie eine Wanderin (47) stürzten in die Tiefe und starben, ein Wanderer wurde lebensgefä­hrlich verletzt.

Die Ermittler sind sich – laut zwei von einander unabhängig­en Quellen – sicher, dass der Hubschraub­er abgestürzt wäre, wenn das Seil mit den drei Personen nicht gerissen wäre. Dann hätte es noch mehr Tote gegeben.

Die Neos werden nun eine parlamenta­rische Anfrage zum Absturz einbringen. Sie fordern Transparen­z bei den Untersuchu­ngen ein. Das Innenminis­terium hat nach den dubiosen Vorkommnis­sen rund um die Abstürze von Polizei-Hubschraub­ern in Deutschlan­dsberg und in den Achensee reagiert und eine unabhängig­e internatio­nale Untersuchu­ngskommiss­ion eingesetzt. Ermittler der derzeit in eine Millionena­ffäre verwickelt­en Bundesanst­alt für Verkehr will man jedenfalls nicht einsetzen.

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Zwei Menschen starben, doch der Unfall wäre beinahe noch folgenschw­erer gewesen

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