Lenker des Todes-Lkw: „Durfte nicht anhalten“
Prozess. Fahrer belastet Mitangeklagte schwer
Der Prozess gegen jene Schlepperbande, die für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen verantwortlich sein soll, wurde am Donnerstag im ungarischen Kecskemét fortgesetzt. Am vierten Prozesstag musste sich der Fahrer des Lkw vor Gericht verantworten.
Der 26-jährige Bulgare Ivajlo S. bekannte sich nur der Schlepperei, nicht aber des Mordes für schuldig. „Ich wollte niemandem schaden“, erklärte er.
Er war am 26. August nahe der serbischen Grenze mit dem Kühl-Transport gestartet. Die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder bekamen nach einer halben Stunde keine Luft mehr. Mit Schreien und Trommeln gegen die Frachtraumwände machten sie lauthals auf sich aufmerksam. Doch der 26-Jährige fuhr einfach weiter. Die Anweisungen dazu habe er von seinem Chef, dem 30-jährigen Afghanen Samsoor L., erhalten. „Ich durfte nicht anhalten, ich musste sogar in der Lkw-Fahrerkabine urinieren“, schildert er in seiner Aussage, die schriftlich verlesen wurde.
Besonders dreist: Der Vize-Chef, der 30-jährige Bulgare Metodi G., habe be- hauptet, er stehe in Kontakt mit den Insassen, es gehe ihnen gut.„Ich wusste nicht, dass die Insassen in Gefahr sind“, meinte Ivajlo S.
20 Minuten später war Ruhe. Der Lkw-Fahrer habe geglaubt, dass dies aufgrund der Anweisung des Vize-Chefs geschah. In Wahrheit waren alle 71 Flüchtlinge tot. Ihre Leichen wurden in dem Lkw, der an der Ostautobahn A4 bei Parndorf abgestellt worden war, entdeckt.
„Bereit zum Mord“
Seine Komplizen hätten ihn unter Druck gesetzt und nicht erlaubt, die Frachtraumtüren zu öffnen, sagte der 26-Jährige in seiner Einvernahme. Er hatte laut eigenen Angaben Angst vor seinen Komplizen, falls er nicht das tue, was sie sagen. Der mutmaßliche Bandenchef war „bereit zum Mord an 71 Menschen“.
Die schriftliche Verlesung der Aussage löste im Gerichtssaal heftige Proteste der Mitangeklagten aus. „Das nächste Mal, wenn er den Mund aufmacht, sollte er sich überlegen, was er sagt“, sagte der mutmaßliche Chef drohend, was ihm eine Verwarnung von Richter Janos Jadi einbrachte.