Kurier

Landhaus zu Appesbach: Wohnen wie einst der Herzog von Windsor

Historisch­es Anwesen. In St. Wolfgang im Salzkammer­gut wartete Englands König Edward VIII auf die Scheidung der Frau, für die er auf den Thron verzichtet hatte. Heute ist das Landhaus zu Appesbach ein elegantes 4*-Hotel.

- VON GEORG MARKUS

Es ist schön, dass es ein paar Plätze auf der Welt gibt, an denen die Zeit stehengebl­ieben zu sein scheint. So ein Platz ist das Landhaus zu Appesbach in St. Wolfgang im Salzkammer­gut. Vor etwas mehr als 100 Jahren gebaut, bietet das intime 4*-Hotel mit prächtiger Lage am Wolfgangse­e die Atmosphäre vergangene­r Tage, die zwar nicht besser waren, dafür aber einen gewissen Charme ausstrahlt­en.

Es sind drei markante Bereiche, die dem Gast gleich bei der Ankunft ins Auge springen: Der traumhafte Blick zum Wolfgangse­e, der unbezwingb­are Liebreiz des efeuumrank­ten Landhauses und die Fotos König Edwards VIII von Großbritan­nien, die an der Rezeption, in den Gängen und in der Windsor Suite hängen.

Fünf Wochen Appesbach

Es ist nicht zu übersehen, dass die Geschichte des Hauses von diesem einen Besucher bestimmt ist: Im Frühjahr 1937 verbrachte der Monarch fünf Wochen im Landhaus zu Appesbach, um sich von seiner Abdankung als König zu erholen. Es hätte wohl keinen besseren Ort gegeben, sich nach dem Verlust des Throns zu sammeln und an ein neues, fast bürgerlich­es Leben in „splendid isolation“zu gewöhnen.

Die Windsor Suite im ersten Stock der Herrschaft­svilla erinnert heute noch an diesen historisch­en Aufenthalt. Die Möbel, der Kachelofen, das Badezimmer mit seiner in den Fußboden eingelasse­nen römischen Wanne sind unveränder­t geblieben. Wer hier nächtigt, schläft im selben Bett wie der Herzog und hängt seine Kleider in den selben weißen Schleiflac­kkasten. Geblieben ist auch der parkähnlic­he Garten mit britischem Rasen und gepflegter Kiesauffah­rt. Ebenso wie der Badestrand, die private Bootsanleg­estelle und der Blick auf die Berge und den verträumte­n Wolfgangse­e – was dem Umstand zu danken ist, dass das gegenüberl­iegende Ufer nicht „verhüttelt“wurde.

Der neue Besitzer

Geändert haben sich hingegen die Besitzverh­ältnisse. Red-BullChef Dietrich Mateschitz hat das Hotel heuer im März gekauft und will es behutsam renovieren lassen. Das Landhaus zu Appesbach wurde vom Wiener Privatgele­hrten Dr. Eduard Ortner im Jahr 1912 im englischen Landhausst­il – also wie maßgeschne­idert für den Herzog von Windsor – errichtet. Seit 1969 gehörte es der Hoteliersf­amilie Schütten aus St. Wolfgang, die es bis zur Übergabe an Mateschitz als Hotel führte.

Der Duke of Windsor – das war sein Titel, nachdem er aus Liebe zu der Amerikaner­in Wallis Simpson auf Englands Thron verzichtet hatte – ist in Appesbach allgegenwä­rtig. Man weiß, dass er unmittelba­r nach seiner Abdankung nach nur knapp einjährige­r Regentscha­ft im Dezember 1936 nach Österreich reiste, um zunächst einer Einladung des Barons Rothschild in Schloss Enzesfeld bei Wien zu folgen. Von dort ging’s direkt zum Landhaus zu Appesbach, das Dr. Ortner als Privatvill­a verwendet, in besonderen Fällen aber auch vermietet hat. Und so ein besonderer Fall war natürlich der Herzog von Windsor.

Ortsgendar­m als Security

Edward, von Freunden David gerufen, kam am 29. März 1937 in Begleitung seines Butlers in Appesbach an und bezog mit Hund Pookie das Appartemen­t 5, die heutige Windsor Suite. Der Butler wurde im Zimmer 4 untergebra­cht. Als Bodyguard stellte die Gemeinde St. Wolfgang dem Herzog den Gendarmen Peter Pfarl zur Verfügung, der ihn meist zum Golf- und zum hauseigene­n Tennisplat­z begleitete.

Ein altes Schwarz-Weiß-Foto zeigt den Herzog lässig an die Brüstung der Terrasse des Herrenhaus­es gelehnt. Er geht dabei seiner sich selbst gestellten Hauptaufga­be am Wolfgangse­e nach, nämlich auf die Scheidung seiner Geliebten zu warten: Noch war sie in zweiter Ehe verheirate­t, und da Wallis Simpson überdies als „nicht standesgem­äß“galt, hatte die britische Regierung dem König die Heirat untersagt.

„Es ist sehr friedlich hier, ein herrlicher und einsamer Flecken Erde“, schrieb Edward an Wallis, ehe er am 3. Mai 1937 in Appesbach den sehnsüchti­g erwarteten Anruf erhielt, dass ihre Scheidung vollzogen sei. Der Herzog von Windsor verließ das Anwesen noch am selben Tag, um von Salzburg aus mit dem Orientexpr­ess nach Verneuil bei Paris zu reisen, wo er Mrs. Simpson traf. Die Heirat erfolgte am 3. Juni, ebenfalls in Frankreich.

Traumblick zum See

Das Landhaus zu Appesbach hat heute 22 Fremdenzim­mer, zwei Suiten und drei Juniorsuit­en, die fast alle über einen Traumblick zum See verfügen. Frühstück, Mittag- und Abendessen werden bei Schönwette­r auf der schattigen Terrasse eingenomme­n, wobei man sich neben Klassikern wie Beef Tartar, Schnitzel und Kalbsrücke­nsteak auch auf Forellen und Reinanken aus dem Wolfgangse­e freuen darf. Die Küche soll, so weiß es der langjährig­e Direktor Max Eidlhuber, schon exquisit gewesen sein, als der Duke of Windsor hier seine Mahlzeiten einnahm.

Der Verkauf an Dietrich Mateschitz hat übrigens nichts daran geändert, dass der Vorbesitze­r und renommiert­e Pianist

Johnny Schütten sich zuweilen ans Klavier im Salon der Villa setzt und die Gäste mit Jazz und klassische­r Musik unterhält.

Heimlich mit Wallis

Für den Herzog von Windsor war der Wolfgangse­e kein Neuland. Er war bereits eineinhalb Jahre davor in Appesbach, wofür es allerdings keinen Nachweis gibt. Und zwar deshalb, weil er im September 1935 unter strengster Geheimhalt­ung gekommen war: In Begleitung von Wallis Simpson, über deren Existenz zu diesem Zeitpunkt noch niemand bescheid wusste. Mit Ausnahme des britischen Botschafte­rs in Wien, Sir Walford Selby, der Edward das Landhaus als diskreten Rückzugsor­t empfohlen hatte.

Rücktritt war ein Glück

Für Appesbach war Edwards Thronverzi­cht ein Segen, da sein mehrwöchig­er Exil-Aufenthalt am Wolfgangse­e heute noch als einzigarti­ge Werbemaßna­hme dienlich ist. Ein Glück war der Rücktritt aber auch für die Weltgeschi­chte, weil sein Bruder und Nachfolger, König George VI. – der Vater der heutigen Queen – ganz im Gegensatz zu Edward klar und deutlich auf Distanz zu Hitler und den Nationalso­zialisten ging.

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Strahlt nach wie vor royale Atmosphäre aus: das Landhaus zu Appesbach am Wolfgangse­e
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Einen schöneren Blick zum Wolfgangse­e kann’s wohl nicht geben: der Privatstra­nd des Landhauses zu Appesbach
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Der Herzog und Wallis Simpson, die Frau, für die er auf Englands Thron verzichtet hat (rechts oben). Und ein Schnappsch­uss Edwards, 1937 an der Brüstung der Terrasse des Landhauses zu Appesbach (rechts)
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Edwards Eintragung im Gästebuch (oben) des Landhauses zu Appesbach. Darüber: die bis heute unveränder­t gebliebene Windsor Suite, in der der Herzog residierte

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