Kurier

Auswege aus Flüchtling­skrise

Rom. Ex-Außenminis­terin: Rettungssc­hiffe sollen andere Häfen anlaufen

- IRENE MAYER-KILANI, ROM

Die Hilferufe sind nicht mehr zu überhören, seit Wochen drängt Rom auf die Umleitung von Rettungssc­hiffen mit Flüchtling­en in andere EUHäfen. Bisher ohne Erfolg. Dass es so weit kam, liege auch am Deal, den Ex-Premier Matteo Renzi 2014 mit der EU einging, meint Emma Bonino, ExAußenmin­isterin und Ex-EUKommissa­rin. Renzi hätte den Alleingang Italiens bei der Rettung im Mittelmeer mit der Mission Triton/Sophia zu verantwort­en. KURIER: Wie lange kann Italien die Flüchtling­sankünfte im Mittelmeer noch alleine stemmen? Emma Bonino: Es ist offensicht­lich, dass Italien nicht mehr lange standhält. Nicht nur wegen der Anzahl, sondern auch wegen des kurzen Zeitraumes. Binnen weniger Tagen kommen tausende Leute in Süditalien an. Es ist notwendig, dass Italiens Regierung weiter Druck auf die europäisch­en Partner ausübt. Vor allem einzelne Staaten müssen ihrer Pflicht nachkommen. Sie haben sich für humanitäre Visa und humanitäre Korridore ausgesproc­hen.

Es gibt eine Direktive, die im Falle eines Massenzust­roms von Vertrieben­en, eine Aufteilung auf verschiede­ne Länder vorsieht. Dieser Schutz für ein Jahr müsste allen Flüchtling­en, die aus Libyen kommen, zuteil werden angesichts der unmenschli­chen Bedingunge­n, unter denen sie leiden. Nach der Ausstellun­g der humanitäre­n Visa kommen die SchengenRe­geln zum Tragen. Europa fährt die Grenzen hoch, würde dieser Plan nicht ebenfalls auf Ablehnung stoßen?

Natürlich wäre es ein steiniger Weg, der zu diplomatis­chen und politische­n Krisen führen könnte. Nach dem Arabischen Frühling 2011 hatte Italien ein solches Abkommen mit Frankreich, das viele Tunesier aufgenomme­n hat. Ex-Premier Renzi betreibt bereits Wahlkampf und forderte eine Obergrenze für Flüchtling­e in Italien. Innenminis­ter Minniti reist nach Tripolis, um mit libyschen Bürgermeis­tern Abkommen zur Eindämmung der Flüchtling­sströme zu schließen.

Ich hoffe, dass mit den Vorstößen nicht gemeint ist, we- niger Menschenle­ben aus Seenot zu retten. Jeder, der die chaotische Lage und die Menschenre­chtsverlet­zungen in Libyen mit seinen zwei Regierunge­n kennt, weiß, dass Abkommen und Rückschieb­ungen nicht möglich sind. In einem Interview warfen Sie Renzi vor, dass er 2014 einem EU-Deal zustimmte, wonach Italien die gesamte Mittelmeer­Operation alleine koordinier­t.

Ich habe ihm nicht die Schuld gegeben. Ich habe es nur damals schon seltsam gefunden, dass Italien alles im Alleingang übernimmt, die Rettung sowie die Ankünfte ausschließ­lich in italienisc­hen Häfen. Es wird schwer für Italien, aus dem Vertrag auszusteig­en. Auch wenn es sich um einen Regelverst­oß handelt. Denn ein Schiff, das unter spanischer Flagge läuft, ist laut internatio­nalem Seerecht spanisches Territoriu­m: Flüchtling­e, die in internatio­nalen Gewässern gerettet werden, betreten also spanischen Boden auf dem Schiff und müssten laut Dublin-Abkommen nach Spanien gebracht werden und dort Asylantrag stellen.–

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Flüchtling­e an Bord eines Schiffes der Mission „Triton“– an der sich 26 Länder beteiligen. 2017 läuft sie aus

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