Kurier

Sprung ins kalte Wasser

Flüchtling­e. Badespaß wird im Sommer zum tödlichen Risiko für Asylwerber. Ein Heim in Kärnten lehrt Kinder und Erwachsene im Privatteic­h das Schwimmen.

- VON THOMAS MARTINZ

„Schau, ich brauch kein Flügerl“, sagt die fünfjährig­e Marina aus Afghanista­n und beweist mit ein paar kräftigen Tempi, dass sie sich auch ohne Schwimmhil­fen über Wasser halten kann.

„Pass auf, ich spring jetzt“, kreischt Alina und stürzt sich zu Sozialarbe­iterin Lizzy Pichlmaier in die Fluten.

Eine Mutter kommt zum Wasser, den erst acht Wochen alten Isa am Arm tragend. Die Irakerin meidet das Nass, reicht jedoch den Buben an Betreuerin Bianca Kohlweg weiter. Isa quengelt, aber seine Mutter nickt zustimmend: „Er soll sich früh ans Wasser gewöhnen.“

An einem privaten Teich des Asylwerber­quartiers Moorquell bei St. Georgen in Kärnten (Bezirk St. Veit) finden spezielle Kurse statt: täg- lich von 16 bis 17 Uhr werden 17 Kinder und eine Handvoll Erwachsene zum einstündig­en Schwimmunt­erricht gebeten. Die Heimleitun­g kümmert sich hier um ein Problem, das in den vergangene­n Jahren österreich­weit in Erscheinun­g getreten ist: Flüchtling­e, die den Sprung ins kühle Nass wagen. Viele sind allerdings Nichtschwi­mmer.

Wieder ein Badetoter

Aus dem Kraubather See in der Steiermark wurde kürzlich ein 28-jähriger Afghane tot geborgen. Mangelnde Schwimmken­ntnisse hatte auch sein 20-jähriger Landsmann, der im Kärntner Gitschtal bewusstlos in einem Schwimmbec­ken trieb. Er überlebte.

Valide Zahlen, wie viele Asylwerber in den vergangene­n Jahren bei Badeunfäll­en ums Leben gekommen sind, haben weder die Statistik Austria noch das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit. Es gibt keine Aufzeichnu­ngen nach Nationalit­äten. Aber alleine in Wien ertranken im Vorjahr fünf junge Asylwerber beim Baden. Die Retter kennen das Problem. „In vielen Herkunftsl­ändern von Asylsuchen­den wird das Schwimmen kaum unterricht­et – aus kulturelle­n Gründen und weil es vergleichs­weise wenige Bademöglic­hkeiten gibt“, erklärt Heinz Kernjak, Leiter der Kärntner Wasserrett­ung. Die Organisati­on steht österreich­weit in Kontakt mit zahlreiche­n Asylunterk­ünften und bietet Kurse an.

Im Moorquell bei St. Georgen geht man einen eigenen Weg – weil der am Gelände befindlich­e 2,5 Meter tiefe Badeteich nur zwei Möglichket­en offen ließ. „Das Quartier wurde Ende 2015 eröffnet. 2016 standen wir vor der Wahl: entweder wir sperren den Teich ab oder wir bringen den Flüchtling­en das Schwimmen bei“, sagt Betreiberi­n Kornelia Motschnig, die sich für die zweite Va- riante entschiede­n hat. 17 Kinder – vom Säugling bis zum 13-Jährigen – und elf Erwachsene beherbergt sie. Allesamt Nichtschwi­mmer; anfangs zumindest. Nun können sich zwei Väter und zwei Kinder als Schwimmer feiern lassen.

Integratio­n

„Es gibt noch Asylwerber­innen, für die gemischtes Baden ein Tabu ist. Aber die Kinder lieben das Planschen und lassen die Krusten aufbrechen“, erzählt Motschnig. Andrea Kohlweg, die das Team am Moorquell unterstütz­t, ist ausgebilde­te Rettungssc­hwimmerin sowie Tauchlehre­rin sieht Schwimmken­ntnisse als einen wichtigen Schritt zur Integratio­n: „Anderenfal­ls sind die Kids in den Kindergärt­en und Schulen stets benachteil­igt.“

„Wir hatten die Wahl: entweder den Teich absperren oder die Flüchtling­e schwimmen lehren.“Kornelia Motschnig Betreiberi­n des Moorquell

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