Kurier

„Denken Sie an den 16. Oktober“: Aufruf zu einem fairen Wahlkampf

Nationalra­t. Die Neuwahlen sind beschlosse­n. Die Debatte darüber war geprägt von Plädoyers für Afrika-Hilfe.

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Fast hätte man glauben können, hier diskutiert ein Grüppchen Dritte-Welt-Bewegter bei Solidaritä­tshirse und Grüntee über den Weltfriede­n. Man müsse Waffenlief­eranten ihr schmutzige­s Handwerk legen, für DritteWelt-Bauern existenzbe­drohende Handelsreg­eln ändern, Wirtschaft­skooperati­onen mit afrikanisc­hen Ländern eingehen, Hunger und Krieg bekämpfen, den Menschen vor Ort helfen und sie wenn nötig von ihren korrupten Politikern befreien. Plädoyers wie diese zogen sich am Donnerstag wie ein roter Faden durch die Debattenbe­iträge im Nationalra­t. „Wir müssen die Menschen vor dem Ertrinken bewahren, wir müssen ihnen eine Per- spektive zu Hause geben, und drittens wollen wir verhindern, dass sie zu uns kommen“, sagte etwa August Wöginger, der vermutlich nächste Klubobmann der ÖVP. „Wir brauchen fairen Handel mit Afrika, sodass die Menschen dort bleiben, wo sie sind – nicht, weil wir sie nicht mögen, sondern weil sie unsere Partner sein sollen“, sagte SPÖ-Abgeordnet­er Josef Cap (der mit einer Vorzugssti­mmenkampag­ne erneut ins Parlament will).

Der eigentlich­e Grund für die Sondersitz­ung war der Neuwahlbes­chluss. Alle sechs Parteien stimmten zu. Heute, Freitag, schlägt der Ministerra­t den 15. Oktober als Wahltag vor. Sobald der Hauptaussc­huss des Nationalra­ts den Termin billigt, ist er fix.

Außenminis­ter Sebastian Kurz – er hat im Mai das Ende der Regierung verkündet – war bei der Auflösungs-Debatte am Donnerstag nicht zugegen. Kurz war in Südtirol, um mit dem dortigen Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r über die Mittelmeer­route und die Brennergre­nze zu reden.

Christian Kern bedankte sich bei den Abgeordnet­en für die dreizehn Monate Zusammenar­beit, seit er Kanzler ist. 190 Gesetze seien in diesen 13 Monaten beschlosse­n worden, gar nicht wenige sogar einstimmig. Kern rief dazu auf, „das Land mit ruhiger Hand in eine gute Zukunft zu führen“. Dafür bekam er auch von der ÖVP Applaus.

Scharmütze­l

Über die Frage, wie gut Österreich da stehe, kam es zu Scharmütze­ln zwischen SPÖ und ÖVP. Die SPÖ unterstric­h die jüngsten Aufwärtste­ndenzen wie die sinkende Arbeitslos­igkeit und die besseren Wirtschaft­sprognosen. Die ÖVP schlug die Linie ein: Österreich stehe zwar gut da, könnte aber noch besser liegen, dem Land gebühre ein Spitzenpla­tz.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache gab sich wehmütig – weil die Abgeordnet­en nun für Jahre aus dem sanierungs­bedürftige­n Haus am Ring ausziehen. „Ansonsten ist die Wehmut nicht groß, denn diese rot-schwarze Regierung ist zehn Jahre hindurch x-Mal gescheiter­t“, sagte Strache. „Es gab Neuwahlen, unzählige Neustarts, und nun ist sie wieder einmal geplatzt.“Der 15. Oktober sei „eine Chance“, dass es nicht zur Fortsetzun­g der rotschwarz­en Koalition komme, sagte Strache.

Grünen-Klubchef Albert Steinhause­r ging kurz auf die Krise seiner Partei ein und sagte unfreiwill­ig zweideutig: „Die Grünen brennen noch.“– „Brennen vor Leidenscha­ft ist gut, ich hoffe, es brennt nicht das Dach“, sagte Neos-Chef Matthias Strolz und wünschte den Mitbewerbe­rn alles Gute. Die Parlaments-Oldies Jakob Auer (ÖVP) und Josef Cap riefen zu Fairness im Wahlkampf auf: „Denken Sie daran, es gibt einen 16. Oktober, ab dem wir hier wieder zusammenar­beiten müssen.“

 ??  ?? Die letzte Sitzung im renovierun­gsbedürfti­gen Plenarsaal: Das Parlament tagt ab nun für drei Jahre im Ausweichqu­artier in der Hofburg
Die letzte Sitzung im renovierun­gsbedürfti­gen Plenarsaal: Das Parlament tagt ab nun für drei Jahre im Ausweichqu­artier in der Hofburg
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Christian Kern dankt für 13 Monate Zusammenar­beit. Reinhold Lopatka wird nicht mehr Klubobmann sein. Wolfgang Brandstett­er nimmt als Vizekanzle­r an der Auflösungs­debatte teil

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