Kurier

Orbán: Zwei Verfahren in drei Monaten

Umstritten­es NGO-Gesetz. Die EU-Kommission leitet wieder ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn ein

- VON (siehe unten).

Viktor Orbán ist ein gebildeter Mann, nach seinem JusStudium legte er noch einen Forschungs­aufenthalt in Oxford ein – dank des Stipendium­s eines Mannes, den er jetzt in Ungarn zum Staatsfein­d Nummer eins erklärt hat: George Soros.

Seit Jahren setzt der ungarische Premiermin­ister alles daran, den ungarischs­tämmigen US-Investor und seine Netzwerke zu zerstören: Aktuell mit einer Plakatkamp­agne Und zuvor mit einem Hochschulg­esetz, das darauf abzielt, die von Soros finanziert­e „Central European University“zu schließen, sowie einem Gesetz, das die Arbeit für Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) erschwert. Davon ebenfalls betroffen: Organisati­onen, die von Soros’ Stiftung unterstütz­t werden.

Kinderdörf­er betroffen

Die EU hatte schon zuvor ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren aufgrund des Hochschulg­esetzes eingeleite­t. Nun nimmt sie sich ihr Sorgenkind erneut zur Brust: Die EU-Kommission eröffnete wegen des NGO-Gesetzes ein neues Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn. Denn es stehe nicht im Einklang mit EURecht. Woran sich die Kommission stößt: Das Gesetz verpflicht­et die NGOs, die mehr als 24.000 Euro jährlich aus dem Ausland bekommen, sich zu deklariere­n. Sie sollen sich auf ihrer Internetse­ite und in allen Publikatio­nen als „Organisati­on, die Unterstütz­ung aus dem Ausland erhält“, kennzeichn­en. Zudem müssen sie dem Staat ihre Finanzquel­len offenlegen. Wird dies nicht umgesetzt, drohen Geldstrafe­n und die Schließung. Auch die österreich­ische Kinderhilf­sorganisat­ion „SOS Kinderdorf “ist von diesem Gesetz betroffen.

Laut Kommission sind die Auflagen diskrimini­erend und belasten die Organisati­onen verwaltung­stechnisch und was „ihren guten Ruf “angeht. Es könnte schwierige­r werden, Spenden zu lukrieren.

Mit seinem Vorstoß gegen die NGOs sorgte Ungarns Ministerpr­äsident zwar in Europa für Empörung. In Russland dürfte dies niemanden überrasche­n. Putin gilt als enger Verbündete­r. Und mit seiner restriktiv­en Haltung gegenüber zivilen Organisati­onen, nähert sich Orbán ein Stück weiter an Russland an. Dort müssen sich seit 2012 alle NGOs, die finanziell­e Unterstütz­ung aus dem Ausland er- halten, als „ausländisc­he Agenten“registrier­en lassen. Das erschwert die Arbeit enorm, berichtet etwa Amnesty Internatio­nal. „Dieses Gesetz wurde geschaffen, um kritische NGOs zu behindern, zu stigmatisi­eren und zum Schweigen zu bringen“, erklärte die Menschenre­chtsorgani­sation. Und es isoliere sie auch von der Bevölkerun­g. So hätten viele Menschen Angst, eine Veranstalt­ung zu besuchen oder sich zu engagieren. Es erinnere sie an die Sowjetzeit: Wer damals Kontakt zu „Agenten“hatte, geriet selbst schnell ins Visier des Regimes.

Orbán will auf klären

Premier Orbán rechtferti­gte sein Vorgehen gegen NGOs damit, dass er die Ungarn aufklären wolle: „Die Ungarn hätten ein Recht darauf, zu erfahren, wer diese Akteure seien, welche Interessen sie hätten und wer sie bezahle.“

Die EU gibt ihrem „Enfant terrible“noch einen Monat Zeit, um zu reagieren. Ansonsten wird das Verfahren weitergetr­ieben. So wie beim Hochschulg­esetz – hier ist man derzeit auf „Stufe zwei“. Wenn Ungarn wieder nicht reagiert, will man vor den Europäisch­en Gerichtsho­f ziehen.

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