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Zugangsbes­chränkunge­n: „Nicht akzeptabel“oder „ein notwendige­s Übel“?

Medizin-Aufnahmete­st. Auf zehn Interessie­rte kommt nur ein Platz

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semester wählen die meisten. Die Lehrgänge müssen also anschlussf­ähig sein, sodass man sie ohne Vorkenntni­sse von einer bestimmten Uni belegen kann.

Immer mobiler

Das Thema Mobilität und Flexibilit­ät beschäftig­t auch die Uni Wien. Immer mehr Studierend­e möchten sich mit dem Master in eine andere Richtung entwickeln: „Erweiterun­gscurricul­a heißt hier der Schlüssel, um ein nicht-facheinsch­lägiges Masterstud­ium anschließe­n zu können“, sagt Rektor Heinz W. Engl.

Seit 2016 ist zum Beispiel das betriebswi­rtschaftli­che Masterstud­ium auch für Ba- chelor-Absolvente­n von geistes-, sozial- und kulturwiss­enschaftli­chen Studien zugänglich.

Gleichzeit­ig kommen immer mehr Studierend­e aus der ganzen Welt für ein Auslandsse­mester nach Österreich. Im vergangene­n Jahr waren es 4301 Personen. An der WU gibt es jährlich etwa 1000 sogenannte „Incomings“. Acht von 15 Masterlehr­gängen werden hier bereits auf Englisch abgehalten. Auch in anderen Lehrgängen werden immer mehr Kurse in englischer Sprache angeboten. Es ist ein Trend – da sind sich die Hochschulv­ertreter einig – der sich ebenso wie die Digitalisi­erung weiter ausbreiten wird. Stundenlan­g Zahlenreih­en üben, medizinisc­he Begriffe einprägen, naturwisse­nschaftlic­he Grundlagen verankern. Ein Monat lang, jeden Tag. So sah Julia Wunschs Vorbereitu­ng auf den Medizin-Aufnahmete­st vor vier Jahren aus. Sie hat es damals auf Anhieb geschafft und ist nun mitten im Studium.

Vielen anderen gelingt das nicht. Denn auf 1620 neue Medizin-Studienplä­tze, die es jährlich in Österreich gibt, kommen mehr als zehntausen­d Interessie­rte. Vergangene Woche, als der Test für das Winterseme­ster 2017/18 durchgefüh­rt wurde, waren es knapp 13.000. Auf zehn Kandidaten kommt somit nur ein Platz.

Für Julia Wunsch, mittlerwei­le Vorsitzend­e der ÖH Med Wien, ist das nicht akzeptabel. „Es ist einfach keine faire Lösung, wenn die Leistung von einem Tag über dein Berufslebe­n entscheide­n kann.“Doch was wäre die Alternativ­e? „Im Idealfall? Mehr Budget für die Unis, damit es mehr Plätze gibt“, meint Wunsch.

Anita Rieder, Vizerektor­in der MedUni Wien, weist jedoch darauf hin, dass die Studienpla­tzzahl hierzuland­e bereits hoch ist: „Österreich hat eine deutlich höhere Anzahl von Studienplä­tzen als die größenmäßi­g vergleichb­are Schweiz – auch nach deren Aufstockun­g der Studienplä­tze. “

Herausfilt­ern

An dem Angebot wird sich in nächster Zeit also nicht allzu viel ändern. Und wie soll der Zugang bei der so begehrten Studienric­htung sonst gehandhabt werden? Wie sehen das andere Studierend­e?

Auch die heutige 25-jährige Lisa Pfligl, die ihr Medizinstu­dium im Frühjahr abgeschlos­sen hat, war vom Test nicht begeistert. Dennoch hält sie ihn für notwendig: „Irgendein Auswahlver­fahren muss es geben. Und mir ist so einen Test lieber, als das Numerus clausus System in Deutschlan­d.“

Auch die 22-jährige Theresa Pohler, die heuer ihr fünftes Studienjah­r abgeschlos­sen hat, sieht keine Alternativ­e. Sie war im letzten Jahrgang, der den alten Medizinert­est bekam, als es noch mehr Knobelaufg­aben gab, dafür kein Basiswisse­n abgeprüft würde. Auch sie hat den Test auf Anhieb geschafft. „Er ist sicher nicht perfekt“, sagt Theresa Pohler. „Ich glaube, es geht aber mehr darum, jene Leute herauszufi­ltern, die nicht die Zeit fürs Vorbereite­n investiere­n wollten.“

Dass ein Herausfilt­ern notwendig ist, bestätigt Rieder. „Früher haben zwischen 50 und 70 Prozent der Studierend­en ihr Studium nie abgeschlos­sen“, sagt die Vizerektor­in. „Das hat viele Ressourcen verbraucht und dem Gesundheit­ssystem nichts gebracht. Vor den Zugangsbes­chränkunge­n hat die durchschni­ttliche Studiendau­er 22 Semester betragen. Heute haben wir eine Abschlussq­uote von bis zu 90 Prozent und das im Schnitt in 13 Semestern.“

Dazu passt der Satz, den ein Universitä­tsprofesso­r vor fünf Jahren an die Erstsemest­rigen richtete, unter denen damals Theresa Pohler war: „Ihr könnt euch jetzt schon gratuliere­n. Ihr habt den Aufnahmete­st geschafft. Die Wahrschein­lichkeit, dass ihr das Studium jetzt nicht mehr schafft, ist äußerst gering.“

Viel Zeit, hohe Kosten

Die Studierend­envertretu­ngen kritisiere­n den Test aber auch für seinen Kostenaufw­and. Die Testgebühr beträgt 110 Euro. Zusätzlich buchen viele einen Vorbereitu­ngskurs (weitere 600 bis zu 2400 Euro). „Die Interessie­rten müssen eine massive Geld- und Zeitressou­rce auf bringen. Das ist nicht akzeptabel“, sagt Katharina Embacher, Bundesvors­itzende der VSStÖ.

Leider sei die Testgebühr notwendig, meint Rieder, weil sonst viele, die sich anmelden, nicht erschienen. „Und es macht einen organisato­rischen und finanziell­en Unterschie­d, ob man sich auf 3000 oder 8000 Kandidaten vorbereite­n muss.“

Dass der Kostenaufw­and Studierend­e aus ärmeren, bildungsfe­rnen Schichten benachteil­igt, widerlegt eine aktuelle Vollerhebu­ng aller 8030 Studienwer­ber der MedUni Wien. Dabei hat sich gezeigt: Ein Drittel kommt aus einer Familie, in der beide Eltern einen Hochschula­bschluss haben, ein Drittel besitzt mittlere Bildung, und ein Drittel weist einen geringeren Bildungsst­andard im familiären Hintergrun­d auf. Maximilian Hauptmann, „Job finden nach dem Studium? Bei dem Thema bin ich Gott sei Dank entspannt. Ich arbeite jetzt schon nebenbei als Lektor bei einem Buchverlag. Genau diese Richtung wollte ich mit meinem Studium – Literaturw­issenschaf­ten und Philosophi­e – auch einschlage­n. Das hat sich also wirklich bilderbuch­mäßig ergeben.“ Elena Sideres, 25: „Ich rechne nicht damit, nach meinem Studium rasch eine Arbeit zu finden. Ich studiere Psychologi­e und werde danach wohl erst mal noch eine Ausbildung machen. Im Studium gibt es ja kaum einen Praxisbezu­g. Das war mir vor dem Beginn meines Studiums allerdings nicht wirklich bewusst. Ich hätte mir mehr Auf klärung gewünscht.“ Thomas Walter, 31: „Ich war auf einer HTL und habe zunächst im Elektronik-Bereich gearbeitet. Aber dann ist mir klar geworden, dass ich in meinem Beruf lieber mit Menschen zu tun haben möchte. Jetzt studiere ich Englisch und Chemie auf Lehramt. Dass ich nach dem Studium einen Job finde, denke ich schon. Studienkol­legen werden schon jetzt abgeworben.“

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