Michael Jackson auf dem Rummelplatz
Kritik. „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“mit Andrea Eckert
Zu den Besonderheiten des Sommertheaters gehören die Ansprachen (der Bürgermeister von Gutenstein hält eine witzige und vor allem kurze), der Regen (in Gutenstein wird in einem Zelt gespielt, das Prasseln des Regens passt sogar gut zur Atmosphäre des Stücks) und die langen Pausen. In Gutenstein dauert es 42 Minuten, bis alle wieder sitzen, also gut doppelt so lang wie im Theater sonst üblich.
Gegeben wird heuer „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“. 2012 war das Stück im Burgtheater in einer düsteren, harten Inszenierung mit einem entfesselten Johannes Krisch zu sehen. Der Stoff wird aktuell sein, solange es Menschen gibt: Ein Mann steigert sich so sehr in seinen Verfolgungswahn hinein, dass er in jedem Menschen einen Todfeind sieht. Schließlich wird er vom Alpenkönig – einer Art Naturgeist – geheilt, indem dieser, in die Rolle des Menschenfeindes schlüpfend, ihm sein Benehmen vor Augen führt.
In Gutenstein wird die Handlung rätselhafterweise auf eine Art Rummelplatz verlegt, als wär’s ein Stück von Horváth, der Alpenkönig (dargestellt von Intendantin Andrea Eckert) ist ein sinistrer Kirmes-Zauberer in Michael-Jackson-Verkleidung (warum eigentlich?). Matthias Mamedof spielt den Menschenfeind Rappelkopf, und er macht das wirklich, wirklich gut, sein paranoides Rasen hat etwas Beängstigendes, seine Läuterung berührt. Dass der Alpenkönig hier von einer Frau dargestellt wird, ist reizvoll, ermöglicht es doch die Parodie auf männliches Wutgehabe aus weiblicher Perspektive. Andrea Eckert spielt diese Szenen sehenswert hemmungslos, verfehlt die Übertreibung aber nur um Millimeter. Ein bisschen weniger Virtuosität würde die Wirkung noch steigern.
Ungemütlich
Die Regie der wunderbaren Emmy Werner ist klug, der Abend hat genug Leichtigkeit, um beim Sommertheater-Publikum zu funktionieren und genügend Abgründigkeit, um nicht in Gemütlichkeit zu ertrinken. Warum jedoch die beiden zentralen Frauenfiguren (Annette Isabella Holzmann als Rappelkopfs Gemahlin und Tanja Raunig als seine Tochter) an die Parodie verschenkt werden – beide werden als linkische, tantenhafte Karikaturen mit übergroßen Brillen gezeichnet – ist unerklärlich. Das Schicksal der beiden wird dadurch unwichtig, die Liebesgeschichte der Tochter interessiert nicht mehr.
Als streitsüchtiges Dienerpaar machen Eduard Wildner und Anita Kolbert zahlreiche Angebote für Lacher, die erstaunlich selten angenommen werden. Die Musik, komponiert von Walter Soyka, ist harsch, jazzig und sehr gut.
Am Ende gab es sehr herzlichen Applaus vom Premierenpublikum. – Keine Mehrkosten bei Überschreitung – lediglich Reduktion der Surfgeschwindigkeit