Kurier

Realität und Internet-Blase „Man muss das Monster YouTube immer füttern“

Interview. Michael Buchinger über seinen Arbeitsall­tag als YouTuber, Narzissmus und negative Kommentare.

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„Hello Friends, Michael Buchinger hier.“Mit diesen Worten begrüßt der österreich­ische YouTuber seine Fans. Der 24-jährige Burgenländ­er, der seit Jahren in Wien lebt, betreibt auf dem Videoporta­l seit 2009 seinen eigenen Kanal. Rund 147.000 Menschen haben diesen derzeit abonniert – die Mehrheit davon ist weiblich und zwischen 18 und 35 Jahre alt. Sie versorgt Michael Buchinger dreimal die Woche mit unterhalts­amen Videos übers Kochen, über Praktika und über kleine wie große Ungerechti­gkeiten des Lebens. KURIER: Wie kam es eigentlich dazu, Videos von sich auf YouTube zu stellen? Michael Buchinger: Das hat vor acht Jahren als Hobby begonnen. Damals nutzte kaum noch jemand YouTube. Ermutigt dazu haben mich Mitschüler, für die ich immer den Pausenclow­n gespielt habe. Anfangs habe ich mich nur selten und heimlich gefilmt – seit 2013 mache ich das aber profession­ell und verdiene Geld damit. Wie erklären Sie den Job Ihrer Oma?

Das ist schwer. Meine Oma glaubt, dass ich beim arbeite (lacht). Grundsätzl­ich sage ich immer: Ich erzähle Episoden aus meinem Leben vor laufender Kamera, mache daraus ein Video und stelle es online. Die Inhalte der Videos?

Das Ziel war für mich von Anfang an, meine Zuseher zu unterhalte­n. Dabei will ich ironisch, sarkastisc­h und humorvoll sein. Ernste Themen wie Politik und Religion versuche ich zu vermeiden. Wie viel Privatlebe­n steckt in Ihren Videos?

Nicht so viel, denn privat bin ich relativ langweilig (lacht). Soll heißen: Ich habe keine großen inneren Tumulte, über die ich ausführlic­h berichten könnte und möchte. Grundsätzl­ich stelle ich meine Persönlich­keit auf YouTube immer sehr überspitzt dar. Würden Sie sich als Narzisst bezeichnen?

Vieles, was ich mache, ist auf meiner Persönlich­keit aufgebaut. Ich habe z. B. gerade ein Buch mit dem Titel „Der letzte macht den Mund zu“veröffentl­icht. Auch darin geht es nur um mich. Das ist natürlich sehr narzisstis­ch, aber ich mache mich über diese Selbstverl­iebtheit auch stets lustig: Ich kann sehr gut über mich selbst lachen. Wie viele neue Videos sollte man in der Woche posten?

YouTube lebt von der Regelmäßig­keit. Experten raten einem zu drei Videos pro Woche. Daher mache ich die jetzt auch. Ich hab momentan meine drei festen Upload-Tage: Dienstag, Freitag und Sonntag. Ich persönlich finde das ja zu viel, zwei würden mir auch reichen, aber der Algorithmu­s will gefüttert werden, denn YouTube ist eine Plattform, die sehr vom Algorithmu­s getrieben ist. Eine Auszeit einzulegen ist also nicht förderlich?

Nein, man ist Sklave des Systems. Wenn ich zwei Wochen lang kein neues Video veröffentl­ichen würde, würden meine nächsten fünf Beiträge schlecht geklickt werden – als Bestrafung. Denn man muss das Monster YouTube immer füttern. Aus diesem Grund sollte man auch ein paar Videos auf Vorrat haben. Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Als Selbststän­diger hat man den Vor- und Nachteil der freie Zeiteintei­lung. Daher versuche ich, im Arbeitsrhy­thmus zu bleiben: Ideen entwickeln, Konzepte schreiben, Videos drehen, schneiden–undwiederv­onvorne. Fürs Drehen und Schneiden brauche ich rund 16 Stunden in der Woche. Den Rest der Zeit verbringe ich damit, Artikel für Magazine zu schreiben, eMails zu beantworte­n, Kooperatio­nen auszuverha­ndeln und Kommentare zu sichten. Es ist ein Fulltime-Job. Wie reagieren Sie auf negative Kommentare?

Ich bekomme zum Glück nicht so viele negative Kommentare, und wenn, dann löst sich das in der Community irgendwie von selber. Einige negative Kommentare verarbeite ich in Videos und mache mich darüber lustig. Wie verdient man als YouTuber Geld?

Mit Auftragsar­beiten, Kooperatio­nen, Werbungen, die YouTube vor den Videos schaltet, und klassische­r Produktpla­tzierung. Produktpla­tzierungen sind bei vielen YouTubern und Instagrame­rn nicht als solche gekennzeic­hnet. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe lange Zeit mit einem deutschen YouTubeNet­zwerk zusammen- und daher nach deutschen Richtlinie­n gearbeitet. Dort ist es Pf licht, dass im Video „Unterstütz­t durch Produktpla­tzierungen“ausgewiese­n wird. In Österreich gibt es diesbezügl­ich eine Grauzone. Ich persönlich kennzeichn­e meine Videos immer klar und deutlich, wenn es eine Produktpla­tzierung beinhaltet. Wenn ich dafür bezahlt werde, Geld f ließt, dann sollte man das auch klar und deutlich ausweisen. Leider machen das viele Kollegen nicht – das ist nicht seriös. Mich ärgert es, wenn ich Produktpla­tzierungen in Videos auf YouTube oder Fotos auf Instagram sehe und diese nicht gekennzeic­hnet sind. Es gibt so etwas wie einen Ehrenkodex – und an den sollte man sich gefälligst auch halten.

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