Des Pudels Kern ist federleicht
Kritik. „Fassbinder, Faust and the Animists“von Michael Laub bei ImPulsTanz in Akademietheater
Was für ein Glücksfall von einem Abend! So federleicht, so selbstironisch, so intensiv, so klug und so völlig überdreht sind sie selten, die Hommagen an den großen Regisseur und Berserker Rainer Werner Fassbinder. Denn was der belgische Choreograf, Regisseur, Theatermacher und Großmeister des postdramatischen Theaters Michael Laub mit „Fassbinder, Faust and the Animists“im Wiener Akademietheater für das Festival ImPulsTanz auf die Bühne bringt, entzieht sich jeder Schubladisierung. Und ist genau deshalb so gut!
Ja, Laub arbeitet sich mit seinem sensationellen, 17-köpfigen Ensemble auf der leeren, weißen, Video-Wall-Bühne an Fassbinders Kultfilm „Warnung vor einer heiligen Nutte“ab. Aber auch an Goethes „Faust“, am Animismus, also der Allbeseeltheit der Natur, an Kambodscha und am in den 50er- und 60erJahren so populären Madison Dance. Das Ergebnis ist eine virtuose Verschränkung von Film, Theater, Tanz, Literatur, Comic, Manga, Yoga und exzessiver Kostümbeschauung, die sich in ihrer Präzision sehen lassen kann.
Spiel mit dem Spiel
Auf der Leinwand läuft mitunter Fassbinders Originalfilm, auf der Bühne werden einzelne Szenen nachgespielt, kommentiert, karikiert und – wenn gar nichts mehr geht – einfach in Fröhlichkeit übertanzt. Denn die Truppe, der bei Fassbinder einen Film drehen wollenden Crew, ist bei Laub auch auf ihr eigenes Sein zurückgeworfen. Auditions zu diesem Projekt werden immer wieder eingeblendet, zu Leonard Cohens „So long, Marianne“wird eine Yoga-Übung abgehalten, die im wahrsten Sinne des Wortes filmisch abhebt. Ein Performer wiederum schildert emotionslos-lakonisch das Gretchen-Schicksal, deren großer Monolog („Meine Ruh ist hin ...) als japanischer Schulmädchen-Porno gedeutet werden kann. Die herrlichen Kostüme der 70erJahre werden rasant gewechselt – alle Darsteller spielen die Fassbinder-Charaktere, stellen sie nach, stellen sie aus, sind aber zugleich auch immer sie selbst und damit gnadenlose Selbstaussteller im positiven Sinn.
Spiel mit dem Sein
Hanna Schygulla, Lou Castel, Eddie Constantine und natürlich Rainer Werner Fassbinder selbst sind omnipräsent, sind in ihrer teils hilflosen Traurigkeit unendlich anrührend. Was ist Kunst? Warum machen wir das? Wer hat was mit wem? Und wie viele Cuba Libre gehen sich noch aus? Laubs Ensemble spielt furios mit Haltungen, Erwartungen, (Ent-)Täuschungen und Träumen – wenn es emotional zu arg wird, darf fröhlich abgetanzt werden. Eine kurze, aber hilfreiche Camouflage in den Leben der Künstlerpersönlichkeiten.
Denn um nichts anderes geht es Michael Laub und seinen Remote Control Productions: um die permanente Hinterfragung des künstlerischen und des persönlichen Schaffensprozesses. Nur wird das selten so leicht, so lustig, so charmant dargestellt.
Was das Ganze mit Goethes „Faust“zu tun hat? Sehr viel sogar! Denn einen echten Pudel kann sich die Truppe nach eigenem Bekunden nicht leisten. Den Kern der Sache trifft diese Performance aber sehr wohl. Fassbinder, Goethe und Animismus – das ist kein Widerspruch, sondern eine betörende Einheit.