Kurier

„Alle sind unglaublic­h motiviert,

Bettina Hering. Die Schauspiel­direktorin der Salzburger Festspiele über die Aufregung rund um den neuen „Jedermann“mit Stefanie Reinsperge­r und Tobias Moretti – und ihr eher wagemutige­s Programm, das vielfältig Macht und Ohnmacht thematisie­rt.

- VON THOMAS TRENKLER

Bettina Hering hat sich ihre erste Saison als Schauspiel­chefin der Salzburger Festspiele vielleicht etwas gemüt- licher vorgestell­t. Zuerst war lange nicht klar, wie die „Neueinstud­ierung“mit Tobias Moretti als Jedermann und Stefanie Reinsperge­r als Buhlschaft aussehen könnte. Und Anfang April, zum letztmögli­chen Zeitpunkt, ent- schloss man sich, binnen dreier Monate einen neuen „Jedermann“aus dem Boden zu stampfen. Hering, 1960 in Zürich geboren und zuletzt Direktorin des Landesthea­ters in St. Pölten, erklärt im Interview die Gründe. KURIER: Warum ist die Zusammenar­beit mit Brian Mertes und Julian Crouch, den Regisseure­n der „Jedermann“-Produktion 2013, gescheiter­t? Bettina Hering: Vor knapp zwei Jahren habe ich mit dem Regieteam die Weiterentw­icklung der Inszenieru­ng besprochen. So etwas ist in der Geschichte des „Jedermann“öfters vorgekomme­n.

Auch Christian Stückl hat seine erfolgreic­he Inszenieru­ng abgeändert und angepasst.

Genau. Zudem haben wir sechs Wochen Proben vereinbart – also eine ausreichen­d lange Zeit. Das kam uns jetzt zugute. Und dann haben wir die Besetzung aufgesetzt. Es war von Anfang an klar, dass viele neue Schauspiel­er dazukommen, insgesamt sechs, und dass zwei Rollen innerhalb des Ensembles „wandern“. In der Folge gab es selbstvers­tändlich viele weitere Gespräche, aber wir sind uns in deren Verlauf über die Inhalte der „Weiterentw­icklung“nicht einig geworden. Das hat mit Auffassung­sunterschi­eden zu tun. Mein Credo ist, dass die Schauspiel­er Platz zur künstleris­chen Entfaltung brauchen. Im angloameri­kanischen Theater sieht man das anders.

Die Regisseure wollten, dass sich Tobias Moretti und Stefa- nie Reinsperge­r ins Konzept einfügen? Wie bei einem DisneyMusi­cal, das weltweit gleich aufgeführt wird?

So drastisch würde ich es auf keinen Fall benennen, aber in Ansätzen, ja. Und dann lief uns die Zeit davon. Irgendwann mussten allerdings Entscheidu­ngen gefällt werden: Was ändert sich beim Bühnenbild, bei den Kostümen?

Wurden Sie allmählich nervös? Der „Jedermann“ist immerhin die Cashcow der Festspiele.

Nein, nicht nervös. Aber ich war auch nicht cool. Ein neuer „Jedermann“war eigentlich ein Projekt für die Zukunft, und es galt nun sehr genau und höchst verantwort­ungsvoll das weitere Vorgehen abzuwägen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine schwerwieg­ende Entscheidu­ng. Sie war auch nur mit dem Einverstän­dnis des Direktoriu­ms möglich. Nach der Entscheidu­ng für die Neuinszeni­erung ist eine Form von Erleichter­ung eingetrete­n. Weil klar war, dass es nur mehr nach vorne gehen kann. Die Werkstätte­n und sämtliche anderen Abteilunge­n der Salzburger Festspiele sind fabelhaft. Enorm, was alle leisten!

Auch Michael Sturminger als Regisseur war für Sie klar?

Ja, weil er ganz viele unterschie­dliche Qualitäten mit sich bringt. Und jede ist wichtig für diese Inszenieru­ng.

Wird seine Inszenieru­ng Festspieln­iveau haben? Die Premiere ist bereits am 21. Juli.

Davon gehe ich absolut aus. Das Konzept von Sturminger und den Ausstatter­n Renate Martin und Andreas Donhauser ist klug, keiner der Schauspiel­er ist abgesprung­en, alle sind unglaublic­h motiviert, ihre Rollen neu zu denken. Und wir haben eine wunderbare Besetzung.

Das restliche Schauspiel­programm bleibt zum Glück gleich. Wie kam es zu Ihrer Auswahl?

In vielen Gesprächen mit Intendant Markus Hinterhäus­er haben wir uns die Frage gestellt, welche Themen uns interessie­ren. Gibt es einen gemeinsame­n Pool an Ideen, ästhetisch­en Vorstellun­gen, Stoffen, auf die wir zugreifen wollen? Das Schauspiel­programm entstand – wie auch der Konzertrei­gen – in großer Abstimmung mit der Oper. Es ist für mich geradezu elektrisie­rend, Frank Wedekinds „Lulu“und die Schostakow­itsch-Oper „Lady Macbeth von Mzensk“nebeneinan­derzustell­en – wenn auch auf anderen Bühnen und mit vollkommen anderen Mitteln.

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Schauspiel­chefin Hering (re.) mit dem „Jedermann“-Team: Sturminger, Reinsperge­r und Moretti

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