Der neue Realismus
Iris Andrascheks Projekt über alternative Landwirtschaft
Es ist eines jener Kunstprojekte, die einen zweiten, ja dritten Blick lohnen. Auf den ersten wäre man nämlich geneigt, Iris Andrascheks Ausstellung „Sekundäre Wildnis“bloß als hübsches Öko-Projekt abzutun.
Inmitten der Hundertwasser-Idylle im Hof des KunstHausWien hat die Künstlerin einige landwirtschaftliche Anhänger platziert: Ein ausrangierter fahrbarer Bienenstock dient hier als Abspielstation für Videos, in anderen fahrbaren Untersätzen wurde Gemüse gepflanzt. Erst der Beipacktext eröffnet, dass es sich dabei um „pflanzliche Selbstporträts“von Landwirtinnen und Landwirten aus dem Wald- und Weinviertel handelt, die die Künstlerin teilweise schon seit über 20 Jahren begleitet.
Andraschek ist sich allerdings bewusst, dass das bloße Interesse für bewusstes Leben, Bio-Landbau und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen allein noch keine gute Kunst ergibt. Und so ist ihre Auseinandersetzung, die sich in der Schau über Videos und mehrere auf AluWänden arrangierte Fotografien erstreckt, ständig bemüht, dokumentarische und ästhetische Bestrebungen auszubalancieren.
Dokument & Ästhetik
Dass die Gratwanderung gelingt, ist nicht zuletzt Andrascheks scharfem Blick für Details und ihrer fotografischen Experimentierlust geschuldet. So wird aus einem vordergründig unspektakulären Blick aus einem Gewächshaus – „lebensgroß“ausgearbeitet – ein exakt komponiertes Bild; eine Ziege auf der Weide wird durch Filter entfremdet, und aus einem neben abgeernteten Früchten abgelegten Hammer wird ein fast altmeisterlich anmutendes Stillleben.
Solche historischen Anklänge rufen die reiche Tradition von Darstellungen ländlicher Arbeit wach. Diese fielen oft gerade dann besonders aussagekräftig und prägnant aus, wenn sich die ländliche Realität massiv veränderte – etwa im Realismus des 19. Jahrhunderts, der mit der Epoche der Industrialisierung zusammenfiel.
Andrascheks Bilder zeigen primär alternative Landwirte, sind aber frei von Idealisierung oder Öko-Kitsch. Es ist viel eher ein neuer Realismus, der inmitten der Umbrüche der Gegenwart höchst zeitgemäß wirkt. Am Ende verwundert es, dass die Landwirtschaft in der zeitgenössischen Kunst heute nicht viel öfter thematisiert wird.