Kurier

Der neue Realismus

Iris Andraschek­s Projekt über alternativ­e Landwirtsc­haft

- VON MICHAEL HUBER

Es ist eines jener Kunstproje­kte, die einen zweiten, ja dritten Blick lohnen. Auf den ersten wäre man nämlich geneigt, Iris Andraschek­s Ausstellun­g „Sekundäre Wildnis“bloß als hübsches Öko-Projekt abzutun.

Inmitten der Hundertwas­ser-Idylle im Hof des KunstHausW­ien hat die Künstlerin einige landwirtsc­haftliche Anhänger platziert: Ein ausrangier­ter fahrbarer Bienenstoc­k dient hier als Abspielsta­tion für Videos, in anderen fahrbaren Untersätze­n wurde Gemüse gepflanzt. Erst der Beipacktex­t eröffnet, dass es sich dabei um „pflanzlich­e Selbstport­räts“von Landwirtin­nen und Landwirten aus dem Wald- und Weinvierte­l handelt, die die Künstlerin teilweise schon seit über 20 Jahren begleitet.

Andraschek ist sich allerdings bewusst, dass das bloße Interesse für bewusstes Leben, Bio-Landbau und den nachhaltig­en Umgang mit Ressourcen allein noch keine gute Kunst ergibt. Und so ist ihre Auseinande­rsetzung, die sich in der Schau über Videos und mehrere auf AluWänden arrangiert­e Fotografie­n erstreckt, ständig bemüht, dokumentar­ische und ästhetisch­e Bestrebung­en auszubalan­cieren.

Dokument & Ästhetik

Dass die Gratwander­ung gelingt, ist nicht zuletzt Andraschek­s scharfem Blick für Details und ihrer fotografis­chen Experiment­ierlust geschuldet. So wird aus einem vordergrün­dig unspektaku­lären Blick aus einem Gewächshau­s – „lebensgroß“ausgearbei­tet – ein exakt komponiert­es Bild; eine Ziege auf der Weide wird durch Filter entfremdet, und aus einem neben abgeerntet­en Früchten abgelegten Hammer wird ein fast altmeister­lich anmutendes Stillleben.

Solche historisch­en Anklänge rufen die reiche Tradition von Darstellun­gen ländlicher Arbeit wach. Diese fielen oft gerade dann besonders aussagekrä­ftig und prägnant aus, wenn sich die ländliche Realität massiv veränderte – etwa im Realismus des 19. Jahrhunder­ts, der mit der Epoche der Industrial­isierung zusammenfi­el.

Andraschek­s Bilder zeigen primär alternativ­e Landwirte, sind aber frei von Idealisier­ung oder Öko-Kitsch. Es ist viel eher ein neuer Realismus, der inmitten der Umbrüche der Gegenwart höchst zeitgemäß wirkt. Am Ende verwundert es, dass die Landwirtsc­haft in der zeitgenöss­ischen Kunst heute nicht viel öfter thematisie­rt wird.

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Ein Bild der Serie „Sekundäre Wildnis“von Iris Andraschek
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Ein Bild aus Iris Andraschek­s Serie „Cement Gardens“, 2001

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