Kurier

NATIONALRA­TSWAHLKAMP­F 2017 Virtuelles Abwatschen

Onlinewahl­kampf. Obwohl der Wahlkampf erst Ende August richtig losgeht, tobt er längst mit viel Aggressivi­tät im Netz. Nicht immer mit sauberen Mitteln.

- VON LUKAS KREIMER UND BERNARDO VORTISCH

Mokieren, beleidigen, verletzen – alles für den kleinen politische­n Vorteil: „The Mummyretur­ns“, twitterte kürzlich der ehemaligen ÖVPRegieru­ngsspreche­r Daniel Kapp mit einem Bild, das Irmgard Griss im Plakat des gleichnami­gen Films zeigt. Die Fotomontag­e, für die sich Kapp mittlerwei­le entschuldi­gt hat, ist nur eine von zahlreiche­n „Grauslichk­eiten“, mit denen sich Politiker im heißen Online-Vorwahlkam­pf auf gut Österreich­isch gegenseiti­g „anpatzen“.

Ein Angriff des Gegenübers, in all seinen Facetten, war schon immer politische­r Alltag. Neu ist, dass die Politiker im Internet, und vor allem in den Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter, mehr Möglichkei­ten als jemals zuvor haben, Wähler zu erreichen.

Die Tiefen des Internets machen es zudem möglich, auch für die kleinsten und spezifisch­sten Gruppen einen perfekt zugeschnit­tenen Wahlkampf zu führen, und damit auch für jene, die Werber mit herkömmlic­hen Mitteln wie Plakat oder Inserat niemals erreichen würden. Das geschieht manchmal transparen­t und offensicht­lich, aber immer öfter auch mit versteckte­n Absendern, deren Identität und Interessen oft im Dunkeln bleiben.

Wenn Politiker auf Facebook gegeneinan­der polemisier­en und einander angreifen, wenn die SPÖ etwa die Website „Kurz nachgerech­net“online stellt, auf der die versproche­nen Einsparung­en des ÖVP-Obmanns in Höhe von 14 Milliarden Euro zerpflückt werden, ist der Absender offensicht­lich und die Intention klar. Schwierige­r wird es bei an- geblich unabhängig­en, kritischen Seiten wie „ÖVP-Watch“oder dem Pendant „SPÖ-Watch“, die angebliche Unstimmigk­eiten in den Wahlprogra­mmen auflisten. Solches findet sich sowohl auf Facebook als auch auf Twitter. Inhalte dieser Seiten werden auch von hochrangig­en Politikern und offizielle­n Parteiseit­en verbreitet.

Problemati­sch daran ist, dass sie kein bisschen so unabhängig sind, wie sie sich präsentier­en. Social-Media-Expertin Judith Denkmayr vermutet im KURIER-Gespräch, „dass diese eher in den Wahlkampfz­entralen der Parteien oder von deren Vorfeldorg­anisatione­n betrieben werden.“Gleiches gilt auch für die zahllosen Satireseit­en, die in Sozialen Netzwerken kursieren, etwa „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“oder „FPÖ Fails“.

Schmutzige Tricks

Für noch mehr Undurchsic­htigkeit im Internet-Wahlkampf sorgen zwei Phänomene, die sich erst in den letzten Jahren zu häufen begonnen haben: Der Einsatz von gefälschte­n Profilen („fake user“) und dem „Social Bots“auf Netzwerken wie Twitter und Facebook.

Was das sein soll? Judith Denkmayr beschreibt die Fake-Profile als „so was wie anonyme Leserbrief­schreiber“, die von den Wahlkampfz­entralen aus gesteuert werden, um die „Drecksarbe­it“zu machen: Also Gerüchte in Umlauf bringen, Negative-Campaignin­g (den Gegner anpatzen) oder auch „Hasskommen­tare“posten, die von offizielle­r Parteiseit­e eigentlich immer heftig kritisiert werden. Oft stecken eigens engagierte PR-Agenturen dahinter, die mit einer wahren Armada von Mitarbeite­rn mit unechten Profilen politische Stimmung machen.

Und Social Bots sind durch ein Computerpr­ogramm generierte, täuschend echt aussehende Profile, die sich als echte User ausgeben und auch als solche vollautoma­tisch posten können. Dahinter steckt niemals eine echte Person. Diese Bots verfolgen laut Denkmayr vor allem einen Sinn: Quantität vorzutäusc­hen und so den Fokus der medialen Berichters­tattung auf sich zu lenken. Wie das passiert? Wenn in der relativ kleinen österreich­ischen Twitter-Landschaft beispielsw­eise ein Tweet oder Kommentar innerhalb kurzer Zeit 5000 Mal geteilt wird, ist das eine Sensation, über die dann auch berichtet wird. Dass viele dieser Profile nicht echt sind, ist ja nicht ersichtlic­h: Was ins Auge sticht ist nur die unglaublic­he Reichweite.

Ähnliches warf der grüne EUParlamen­tarier Michel Reimon ÖVP-Chef Sebastian Kurz letzte Woche in einem Tweet auch vor. Eine große Anzahl von anonymen Nutzeracco­unts, die erst vor Kurzem erstellt wurden und Kurz breitenwir­ksam gegen Angriffe auf Twitter verteidige­n, schien Reimon suspekt.

Als Nutzer sozialer Netzwerke ist man vor dem Einfluss solcher Taktiken kaum geschützt. Da stellt sich die Frage wem oder was man im Netz noch glauben kann? Die Lösung: Denkmayr ruft zu reflektier­tem Konsum von sozialen Medien auf. Man solle nicht unhinterfr­agt Onlinetren­ds hinterherj­agen und diverse politische Postings auch einmal kritisch betrachten. Besonders Journalist­en sollen sich davon in die Pflicht genommen fühlen: „Aufgabe der Journalist­en wäre es hier, nicht jeden Tweet mit vielen Retweets und Likes unhinterfr­agt zur medialen Geschichte zu machen.“

Ob Kern mit einem blauen Auge, Sebastian Kurz unter der Obrigkeit seiner „Mutti“Angela Merkel oder Irmgard Griss als neue Hauptdarst­ellerin in „Die Mumie kehrt zurück“– zimperlich gehen Politiker auch online nicht miteinande­r um. Dabei wird auch schon einmal das Wahlprogra­mm des Gegner zerlegt, so geschehen mit den finanziell­en Plänen der ÖVP

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