Kurier

„Unberührba­re“immer noch benachteil­igt

Beide Kandidaten für die Präsidents­chaft sind zwar Dalits, aber das ändert im Prinzip nicht viel.

- VON SUSANNE BOBEK

Heute, Montag, wählen 5000 Abgeordnet­e den neuen Staatspräs­identen Indiens, der wie unser Bundespräs­ident eher Repräsenta­tionsaufga­ben hat. Die zwei Kandidaten kommen aus der untersten Kaste der „Unberührba­ren“, den Dalits. So gesehen ist die Wahl ein symbolisch­es Zeichen, aber auch nicht mehr. Denn die gesellscha­ftliche Stellung dieser Gruppe wird nicht besser.

Erst vor kurzem machte das nordindisc­he Dorf Shabbirpur Schlagzeil­en. 50 Häuser der Dalits wurden von Angehörige­n der höheren Thakur-Kaste abgebrannt, ein Jugendlich­er kam ums Leben. An diesen Übergriffe­n wird nach Ansicht der Menschen in Shabbipur auch ein Dalit-Staatschef nichts ändern. „Die Parteien versuchen nur, sich bei den Dalits einzuschme­icheln, um unsere Stimmen bei den nächsten Wahlen zu bekommen“, meint der 61-jährige Shivraj in Shabbirpur zu einem Reporter der

dpa. „Wird der neue Präsident überhaupt die Macht haben, Gräueltate­n gegen Dalits zu stoppen? Es ist ja nur ein zeremoniel­ler Posten, wichtig ist die Politik der Regierung.“

Den rund 200 Millionen Dalits wird weiter der Zutritt zu Tempeln oder das Trinken aus Gemeinscha­ftsbrunnen verboten. Noch heute haben die meisten Dalits kein Land und verrichten niedere Dienste.

Bildung gegen Armut

Die jüngere Generation ist gebildet und wehrt sich gegen die Unterdrück­ung. Sie will auf Augenhöhe mit anderen kommunizie­ren, doch die Vorurteile sitzen tief. Viele aus höheren Kasten können es nicht ertragen, ihre Vorherrsch­aft zu verlieren.

„Das Kastensyst­em hat tausende Jahre Bestand gehabt, weil soziale Kennzeiche­n die Existenz der Menschen bestimmten“, sagt Chandra Bhan Prasad, ein Dalit-Intellektu­eller. „Heute überwiegen im Kapitalism­us materielle Kennzeiche­n.“So sei eine Dalit-Mittelschi­cht erwachsen. Doch Heiraten zwischen den Kasten sind immer noch ein großes Problem, da meistens die Eltern Braut und Bräutigam aussuchen.

Immerhin haben es Dalits an die Spitze des Landes gebracht: Der Gouverneur des Bundesstaa­tes Bihar, Ram Nath Kovind, und die Kandidatin der Opposition­sparteien, Meira Kumar, eine frühere Diplomatin und Parlaments­präsidenti­n, sind die Kandidaten für das Präsidente­namt. Egal wer gewinnt, Indien wird seinen zweiten Dalit-Präsidente­n nach K. R. Narayanan (1997–2002) bekommen.

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