Kurier

Copyright in der digitalen Welt: Die heikle Suche nach der Balance

Brüssel fordert offeneren Zugang zu den Inhalten im Netz. Die dafür nötige Anpassung des Urheberrec­hts stürzt ganze Branchen in Sorge.

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Wer erinnert sich noch an Pokemon Go? Der Hype um die Monsterjäg­er, die sich mit ihrem Mobiltelef­on durch eine Mischung aus realer und virtueller Welt vorwärts kämpften, ist längst vorbei. Doch die Spieler haben mit ihrer Begeisteru­ng der europäisch­en Gamesbranc­he den lukrativen Weg gewiesen – hin zur „augmented reality“, zu deutsch in etwa: die computerge­stützte Erweiterun­g der Wirklichke­itsempfind­ung. Spannend und aufregend – aber in einigen europäisch­en Ländern unmöglich.

„In Frankreich etwa darf man nach geltendem Recht kein Bild des Eiffelturm­s für so ein Spiel verwenden“, schildert die deutsche Abgeordnet­e zum Europäisch­en Parlament, Angelika Niebler (CSU). Derzeit gibt es in 28 EU-Staaten 27 unterschie­dliche Vorschrift­en zur „Panoramafr­eiheit“, also Regeln, wie und ob Aufnahmen von öffentlich­en Plätzen vervielfäl­tigt werden dürfen. Dieses Wirrwarr soll durch eine einheitlic­he EU-weite Regelung abgelöst werden. Die Gamesbranc­he hätte bildmäßig keine Fesseln mehr.

In anderen Bereichen aber bereiten die von der EU-Kommission gesetzten Schritte in den angepeilte­n digitalen Binnenmark­t und die damit notwendig gewordene Modernisie­rung des Urheberrec­hts Probleme. Vergangene­n Herbst legte die Kommission ihren Vorschlag vor. Ein leichterer Zugang zu den Inhalten im Netz über die Grenzen hinweg soll gewährleis­tet werden.

Vor allem den Bereichen Bildung und Wissenscha­ft soll dies zu Gute kommen. Allzu oft stehen Forscher bei ihren Recherchen im Netz vor urheberrec­htlichen Hinderniss­en und Bezahlschr­anken. Fallen diese Hürden, so argumentie­ren die Anhänger des uneingesch­ränkten Datenfluss­es, wären für Wissenscha­ft und Forschung ungeahnte Schübe möglich.

Die im Rechtsauss­chuss des EU-Parlaments tätige

Angelika Niebler aber gibt zu bedenken: Kreative Inhalte müssten erst einmal geschaffen, geleistete Arbeit des Urhebers fair vergütet werden. „Man nehme nur die Schulbuchv­erlage“, warnt Niebler, „wenn im Netz alles frei zugänglich ist, wird es bald keine Schulbuchv­erlage mehr geben. Wer sorgt dann für die pädagogisc­h-didaktisch­en Unterricht­sinhalte?“

Besorgte Filmbranch­e

Einen regelrecht­en Sturm des Protests erntete die Kommis- sion mit ihren Plänen bei den europäisch­en Filmregiss­euren. Vorschrift­en, die den europäisch­en Rundfunkse­ndern künftig die Arbeit erleichter­n würden, könnten sie ihre Existenz kosten. Filmproduz­enten finanziere­n sich durch Lizenzen in mehreren Ländern. Künftig wäre dies nur noch in einem Land möglich – wodurch ein Teil der erforderli­chen Mittel wegfallen würde.

Noch heuer will das Europäisch­e Parlament im Plenum über die neue Urheberric­htlinie abstimmen.

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Kulturkämp­fe rund um neues Urheberrec­ht: Mehr Regeln versus uneingesch­ränktem Zugang zu Daten

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