Kurier

Rentenmärk­te erwachen aus der Lethargie

- VON MONIKA ROSEN

Ende Juni war es an den Rentenmärk­ten mit der bisher herrschend­en Ruhe vorbei, die Renditen begannen teilweise deutlich zu steigen. Die 10-jährige deutsche Bundesanle­ihe übersprang dabei erstmals seit Jänner 2016 wieder die Marke von 0,5 Prozent. Die Marktteiln­ehmer beginnen sich also offenbar mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass auch die aktuelle Niedrigzin­sphase irgendwann auslaufen wird.

Sondersitu­ation

Wenn die Renditen steigen, so ist das üblicherwe­ise nicht gut für die Aktienmärk­te. Steigende Finanzieru­ngskosten belasten die Unternehme­nsgewinne, und höhere Renditen stellen gleichzeit­ig eine Konkurrenz für (risikoreic­here) Aktieninve­stments dar. Dieser Mechanismu­s scheint derzeit aber noch nicht ganz zu wirken, denn obwohl die Renditen in kurzer Zeit deutlich gestiegen sind, zeigten sich die Börsen kaum beunruhigt. Offenbar sieht man die ultra-tiefen Renditen der letzten Jahre als „Sondersitu­ation“an, eine Folge der Maßnahmen der Notenbanke­n zur Bekämpfung der Finanzkris­e. Insofern können die Renditen auch ein wenig steigen, also eine Art Normalisie­rungsproze­ss durchlaufe­n, bevor eine echte konjunktur­elle Bremswirku­ng entfaltet wird. Außerdem signalisie­ren steigende Renditen, dass sich das Wachstum beschleuni­gt und Inflation ins System kommt. Gerade diesen Zusammenha­ng konnte man Ende des Vorjahres nach dem Wahlsieg von Donald Trump beobachten. Der Markt begann, die Stimulieru­ngsmaßnahm­en, die Präsident Trump setzen wollte, in den Ren- diten einzupreis­en, was die Börsen aber nicht erschütter­te, sondern inspiriert­e. Dass sich in den USA die erhofften Impulse mittlerwei­le nicht im erhofften Ausmaß niedergesc­hlagen haben, steht wiederum auf einem anderen Blatt.

Aktienmark­t

In der Eurozone stehen die konjunktur­ellen Signale mittlerwei­le eindeutig auf „grün“. Das Wachstum nimmt an Fahrt auf, und die politische­n Unsicherhe­iten, die noch in der ersten Jahreshälf­te die Diskussion dominierte­n (Stichwort Wahlen), haben sich zuletzt deutlich gelegt. Die Renditen sind damit weiter einem gewissen Druck nach oben ausgesetzt, einen massiven Anstieg der Volatilitä­t mit raschen Kursverlus­ten bei den Anleihen erwarten wir jedoch nicht. Die Aktienmärk­te haben ebenfalls schon begonnen, sich auf das Szenario einzustell­en. Konjunktur­abhängige Branchen wie Industrieo­der Bauwerte haben zuletzt Stärke gezeigt, während defensive Sektoren wie Versorger oder Telekom-Aktien ins Hintertref­fen gerieten.

Die EZB wird sicher alles unternehme­n, den Geldhahn sachte zu drosseln, ohne zu große Turbulenze­n an den Märkten auszulösen. Man will die Anleger gut auf die kommende Zinswende vorbereite­n, damit dann nie- mand auf dem falschen Fuß erwischt wird. Das ist auch sehr wichtig, waren die Märkte jetzt doch sehr lang an eine extrem lockere Geldpoliti­k gewöhnt. Aber wie jede gute Party, geht auch diese irgendwann zu Ende…

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