Ein Jungpolitiker und die Radikalisierung
Amir El-Shamy kandidierte einst für die Wiener SPÖ. Jetzt will er Menschen „aufklären“
Amir El-Shamy wählt seine Worte genau. Das hat er gelernt. Sieben Jahre lang engagierte er sich bei der SPÖ in Wien. Vor wenigen Wochen gab er seinen Austritt bekannt. Es ist ein jäher Schnitt. El-Shamy war nicht nur Nachwuchs-Politiker. Er war auch Integrationsbotschafter beim Integrationsfonds, hatte sich außerdem beim Jugendrat der islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) engagiert. All das ist Geschichte. Jetzt konzentriert er sich auf die „Aufklärung“. Konkret ist der Student Generalsekretär bei „Iman“. Die Organisation steht unter Salafismus-Verdacht. Der KURIER traf El-Shamy in Kagran zum Interview (siehe Zusatzgeschichte, Anm.). Die Hand reicht er zur Begrüßung nur dem Fotografen. Dem erklärt er (vergeblich): „Das Bild suchen wir aus.“Auch das Fotomotiv will er bestimmen. Am liebsten wäre es ihm vor dem Eingang zum Donauzentrum, denn dort steht er jedes zweite Wochenende, um „aufzuklären“.
Ein „normaler Muslim“
Er sei ein „ganz normaler Muslim“, erklärt er im folgenden Gespräch mehrfach, der sich an das österreichische und das islamische Recht halte. Das Zitat hätte er auch gerne als Titel zu dieser Geschichte.
Ein ganz normaler Muslim? Diese Meinung teilt nicht jeder. Ermittler des Verfassungsschutzes beobachten „Iman“. Die Organisation gilt als bedenklich, als Verfechter eines politischen Islam. Auf der Straße werden von den Unterstützern Flyer verteilt, um die Menschen „zum Islam zu führen“. In sozialen Medien werden Videos veröffentlicht, in denen Menschen auf der Straße vom „einzig wahren Glauben“überzeugt werden sollen.
Vor wenigen Jahren war das für El-Shamy noch kein Thema. Er war Schulsprecher, mochte American Football, veranstaltete Grillfeste. „Er wollte Politiker werden, hat sich sehr engagiert“, erin- nert sich Omar Al-Rawi, SPÖGemeinderat. Er war für ihn eine Art väterlicher Freund. Der ägyptischstämmige junge Mann war in der „Jungen Generation“und der Floridsdorfer Bezirkspartei, kandidierte 2015 (erfolglos) für den Gemeinderat.
Doch vor rund zwei Jahren änderte sich das Leben El- Shamys. Private Rückschläge und familiäre Probleme dürften ihm zu schaffen gemacht haben. In dieser Zeit fand er Anschluss bei streng gläubigen Muslimen, erzählen Weggefährten. Plötzlich ließ er sich einen Bart wachsen, Musik war tabu. Im Jugendrat der IGGiÖ eckte er an. In seiner Funktion als Integrationsbotschafter reichte er Frauen nicht mehr die Hand. Der Integrationsfonds beendete die Zusammenarbeit mit ihm.
„Ich habe damals versucht, ihm zu helfen, wollte ihm klar machen, dass seine Ansichten falsch sind. Aber er hat nicht mehr auf mich gehört“, sagt Al-Rawi.
Erleichterung
Aufgefallen war El-Shamy erstmals 2015, als er erklärte, dass Aleviten keine Muslime seien. Die große Empörung kam aber erst, als bekannt wurde, dass er Teil von „Iman“ist. Die SPÖ drohte einen Parteiausschluss an. Mit „großer Erleichterung“nahm man schließlich die Ankündigung des Austritts wahr. „Die Sache ist geklärt und wir gehen ab jetzt getrennte Wege“, sagt Sybille Straubinger, Landesparteisekretärin der SPÖ Wien. Lange sei die Entwicklung des jungen Mannes nicht bemerkt worden, gibt man sich in der Partei zerknirscht. Künftig wolle man „genauer schauen, wie sich die Leute entwickeln“.
Selbst seine Schwester distanzierte sich via KURIER von ihm.
Im Austrittsvideo wünschte El-Shamy den Zuschauern noch einen schönen Ramadan. „Es könnte der letzte sein.“Der KURIER hätte gern genau erfahren, warum er diese Diktion gewählt hat. Die Antwort fiel vage aus. Nachfragen wollte El-Shamy dezidiert aus dem Interview entfernt haben.