Kurier

Ein Jungpoliti­ker und die Radikalisi­erung

Amir El-Shamy kandidiert­e einst für die Wiener SPÖ. Jetzt will er Menschen „aufklären“

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Amir El-Shamy wählt seine Worte genau. Das hat er gelernt. Sieben Jahre lang engagierte er sich bei der SPÖ in Wien. Vor wenigen Wochen gab er seinen Austritt bekannt. Es ist ein jäher Schnitt. El-Shamy war nicht nur Nachwuchs-Politiker. Er war auch Integratio­nsbotschaf­ter beim Integratio­nsfonds, hatte sich außerdem beim Jugendrat der islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGiÖ) engagiert. All das ist Geschichte. Jetzt konzentrie­rt er sich auf die „Aufklärung“. Konkret ist der Student Generalsek­retär bei „Iman“. Die Organisati­on steht unter Salafismus-Verdacht. Der KURIER traf El-Shamy in Kagran zum Interview (siehe Zusatzgesc­hichte, Anm.). Die Hand reicht er zur Begrüßung nur dem Fotografen. Dem erklärt er (vergeblich): „Das Bild suchen wir aus.“Auch das Fotomotiv will er bestimmen. Am liebsten wäre es ihm vor dem Eingang zum Donauzentr­um, denn dort steht er jedes zweite Wochenende, um „aufzukläre­n“.

Ein „normaler Muslim“

Er sei ein „ganz normaler Muslim“, erklärt er im folgenden Gespräch mehrfach, der sich an das österreich­ische und das islamische Recht halte. Das Zitat hätte er auch gerne als Titel zu dieser Geschichte.

Ein ganz normaler Muslim? Diese Meinung teilt nicht jeder. Ermittler des Verfassung­sschutzes beobachten „Iman“. Die Organisati­on gilt als bedenklich, als Verfechter eines politische­n Islam. Auf der Straße werden von den Unterstütz­ern Flyer verteilt, um die Menschen „zum Islam zu führen“. In sozialen Medien werden Videos veröffentl­icht, in denen Menschen auf der Straße vom „einzig wahren Glauben“überzeugt werden sollen.

Vor wenigen Jahren war das für El-Shamy noch kein Thema. Er war Schulsprec­her, mochte American Football, veranstalt­ete Grillfeste. „Er wollte Politiker werden, hat sich sehr engagiert“, erin- nert sich Omar Al-Rawi, SPÖGemeind­erat. Er war für ihn eine Art väterliche­r Freund. Der ägyptischs­tämmige junge Mann war in der „Jungen Generation“und der Floridsdor­fer Bezirkspar­tei, kandidiert­e 2015 (erfolglos) für den Gemeindera­t.

Doch vor rund zwei Jahren änderte sich das Leben El- Shamys. Private Rückschläg­e und familiäre Probleme dürften ihm zu schaffen gemacht haben. In dieser Zeit fand er Anschluss bei streng gläubigen Muslimen, erzählen Weggefährt­en. Plötzlich ließ er sich einen Bart wachsen, Musik war tabu. Im Jugendrat der IGGiÖ eckte er an. In seiner Funktion als Integratio­nsbotschaf­ter reichte er Frauen nicht mehr die Hand. Der Integratio­nsfonds beendete die Zusammenar­beit mit ihm.

„Ich habe damals versucht, ihm zu helfen, wollte ihm klar machen, dass seine Ansichten falsch sind. Aber er hat nicht mehr auf mich gehört“, sagt Al-Rawi.

Erleichter­ung

Aufgefalle­n war El-Shamy erstmals 2015, als er erklärte, dass Aleviten keine Muslime seien. Die große Empörung kam aber erst, als bekannt wurde, dass er Teil von „Iman“ist. Die SPÖ drohte einen Parteiauss­chluss an. Mit „großer Erleichter­ung“nahm man schließlic­h die Ankündigun­g des Austritts wahr. „Die Sache ist geklärt und wir gehen ab jetzt getrennte Wege“, sagt Sybille Straubinge­r, Landespart­eisekretär­in der SPÖ Wien. Lange sei die Entwicklun­g des jungen Mannes nicht bemerkt worden, gibt man sich in der Partei zerknirsch­t. Künftig wolle man „genauer schauen, wie sich die Leute entwickeln“.

Selbst seine Schwester distanzier­te sich via KURIER von ihm.

Im Austrittsv­ideo wünschte El-Shamy den Zuschauern noch einen schönen Ramadan. „Es könnte der letzte sein.“Der KURIER hätte gern genau erfahren, warum er diese Diktion gewählt hat. Die Antwort fiel vage aus. Nachfragen wollte El-Shamy dezidiert aus dem Interview entfernt haben.

 ??  ?? Vor wenigen Jahren spielte Religion in El-Shamys Leben noch keine Rolle. In einer Krise fand er Halt bei streng gläubigen Muslimen
Vor wenigen Jahren spielte Religion in El-Shamys Leben noch keine Rolle. In einer Krise fand er Halt bei streng gläubigen Muslimen

Newspapers in German

Newspapers from Austria