„Die Hassprediger sitzen in den politischen Ämtern und Ministerien“
Interview. Der 27-jährige Muslim über Extremismus-Vorwürfe, die Organisation „Iman“und die Entscheidung, Frauen nicht die Hand zu reichen
KURIER: Herr El-Shamy, Sie haben Ihren Parteiaustritt in einem Video verkündet. Ihr letzter Satz lautet: Genießt den Ramadan, es könnte unser letzter sein. Das klingt nach Endzeit. Das kann man falsch verstehen.
Amir El-Shamy: Wir haben sehr lange nachgedacht, ob wir dieses Video machen. Ich möchte mit dem Video sehr viele Menschen ansprechen, mit diesem Satz spreche ich direkt die Muslime an.
In Posts ist ein weiterer Satz hinterfragt worden – der Islam, die einzig wahre Religion. Das heißt, Christentum, Buddhismus etc., könnte man jetzt rückschließen, erkennen Sie nicht an.
Das ist kein Widerspruch.
Ist es nicht?
Davon ist jeder Muslim überzeugt. Vielleicht spricht es nicht jeder Muslim aus, aber daran glaubt jeder. Christentum und Judentum haben Existenzberechtigung. Wir haben nichts gegen Juden und Christen, wir sind ganz friedlich. Wir arbeiten sogar mit Nicht-Muslimen zusammen.
Die FPÖ hat damals dafür ge- sorgt, dass bekannt wurde, dass Sie sich bei der Organisation „Iman“engagieren und Ihnen salafistische Tendenzen vorgeworfen.
Das lehne ich natürlich ab. Wir zählen uns zu keiner Gruppe, wir zählen uns zu keiner Sekte. Was wir häufig bemerken, ist, dass uns keine Gelehrten kritisieren. Uns kritisieren rechte Politiker und selbst ernannte Islamexperten, die hauptsächlich über Alkoholverbote in türkischen Restaurants diskutieren.
Auch die liberalen Muslime haben sich sehr kritisch geäußert.
Das lasse ich unkommentiert. Liberale Muslime sagt alles.
Wie groß ist „Iman“eigentlich?
Die ganze Auf klärungskampagne in Österreich umfasst ungefähr 30 Personen. Von denen sind sehr viele teilweise dabei, machen spontan mit. Manche, da zähle ich mich dazu, sehen das als ihre Hauptaufgabe. Da sprechen wir von zwei Leuten. Nach den Terrorakten haben wir eine Deklaration gegen Extremismus gemacht, das ist mir wichtig. Wir sind Musli- me der Mitte. Weder radikal noch extremistisch.
Warum ist der Verfassungsschutz dann so interessiert an Ihnen?
Es gibt nichts, das wir gegen die Gesetze machen. Wir machen Auf klärungskampagnen, wir sprechen mit Leuten über den Islam und das ist alles.
Arbeiten Sie ehrenamtlich?
Unsere Mitglieder finanzieren uns.
Können Sie nachvollziehen, dass manche Leute ein Problem damit haben, wenn Sie einen bärtigen Muslim sehen? Der braucht jetzt nicht mal einen Koran verteilen.
Sie wissen, dass wir keinen Koran verteilen. Natürlich verstehe ich die Situation im Land. Ich bin Politologe. Aber es kann uns niemand verbieten, dass wir mit den Leuten ins Gespräch kommen. Es gibt einen Unterschied zwischen Hasspredigern und uns. Die Hassprediger sitzen beispielsweise in den politischen Ämtern und Ministerien (er bezieht sich damit auf eine Aussage von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz, islami-
sche Kindergärten zu verbieten,
Anm.) – das würde ich als radikales Gedankengut einschätzen.
Der Integrationsfonds hat sehr viel Wert darauf gelegt, klarzustellen, dass Sie nicht mehr als Integrationsbotschafter arbeiten. Unter anderem, weil Sie Frauen nicht mehr die Hand reichen.
Das sind kleine Themen, wie das Kopftuch. Uns ist aber wichtig, dass man über die große Sache spricht. Warum der Islam wahrhaftig ist und am Ende ins Paradies führt.
Aber es ist ein unmittelbares Thema, das jeder spüren kann.
Fühlen Sie sich respektlos behandelt?
Für mich ist das eigenartig, weil ich es auch gewohnt bin.
Ich verstehe es. Sie sind es gewohnt, dass Sie Männer, mit denen Sie nicht verheiratet sind, berühren, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich habe mich einfach so entschieden, dass ich alle Menschen so respektvoll behandle, wie ich respektvoll behandelt werden will. Ich bin der erste Muslim, der in einer österrei- chischen Partei aufgestanden ist und Menschen davon überzeugt hat, den Islam als perfekte Religion zu sehen.
Gerade in Österreich gibt es doch eine strikte Trennung zwischen Religion und Politik.
Das fragen Sie mal die Christlich-Sozialen. Fragen Sie die Frau Mikl-Leitner ( Landeshauptfrau, Anm.) in NÖ, ob sie auf christliche Werte verzichten würde. So lange es christliche Parteien in Österreich gibt, kann man nichts dagegen sagen, dass ein Muslim aufsteht und sagt: Der Islam ist die einzig wahre Religion.
Können Sie mich überhaupt akzeptieren als nicht-muslimische Frau, die aus Reflex gleich einmal die Hand geben will, die das Haar offen trägt, die sich schminkt, als Journalistin?
Sie sind eine Journalistin und eine Frau, und natürlich respektiere ich Sie. Sie sind mein Interviewpartner und ich respektiere Ihre Arbeit, auch als Nicht-Muslimin. Klar bin ich davon überzeugt, dass der Islam die beste Religion ist und natürlich lade ich Sie ein, den Islam näher kennen zu lernen.