Kurier

Ein Sommer auf dem Gräberfeld

Umgeben von Staub und Hitze: Am Hemmaberg bringen Forscher spätantike Knochen ans Tageslicht

- VON LAURA WALLENKO (TEXT), GERT EGGENBERGE­R (FOTOS)

In steilen Serpentine­n windet sich eine schmale Forststraß­e den Hemmaberg hinauf. Sie führt zu einem Plateau, das den Blick weit in die Ferne schweifen lässt, von den Bergen Südkärnten­s bis hin zur nahegelege­nen Grenze zu Slowenien. Wenige Meter abseits der Straße stößt man auf eine kleine Ansammlung von Menschen. In tiefgebück­ter Haltung, den Blick konzentrie­rt auf den Boden gerichtet, heben sie Schicht für Schicht die Erde aus.

Westlich der südkärntne­rischen Ortschaft Globasnitz liegt der historisch bedeutsame Hemmaberg, der auf eine jahrtausen­dlange Siedlungsg­eschichte zurückblic­ken lässt. Dementspre­chend zahlreich sind archäologi­sche Funde rund um das Gebiet. Nun erhoffen sich Forscher der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) neue Erkenntnis­se über das Zusammenle­ben unterschie­dlicher Volksgrupp­en, wie Ostgoten und Römer, im Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalte­r. Die Skelettfun­de der zwei bisher unerforsch­ten Gräber am Hemmaberg sollen Aufschluss über Gesundheit­szustand, Alter oder Ernährung der Bewohner geben. Das Forschungs­projekt dauert den gesamten Juli an.

Perfekt koordinier­t

Auf den zwei Grabfelder­n tragen die Archäologe­n den Boden ab. Was für Laien auf den ersten Blick chaotisch erscheinen mag, ist tatsächlic­h jedoch perfekt koordinier­t. Bereits im Vorhinein wird festgelegt, wer wo graben soll. Grabungsle­iterin Michaela Binder wandert von Stati- on zu Station und hilft, wo es nötig ist. Sie hat ihre Truppe voll und ganz im Blick.

Der Ablauf der Grabung ist strikt geregelt, nichts wird dem Zufall überlassen: Anfangs wird der Boden mittels geophysika­lischer Prospektio­n genau vermessen: Dieses Bodenradar macht Anomalien in der Struktur des Erdreichs sichtbar. So stößt man auf unterirdis­che Mauern oder Gruben und kann abschätzen, wo sich menschlich­e Überreste befinden. Ent- decken die Archäologe­n in der Folge Knochen, müssen die Koordinate­n von jedem Fund exakt dokumentie­rt werden. So wird sichergest­ellt, dass keine Informatio­nen verloren gehen.

Hitze und Staub

Unermüdlic­h durchwühle­n die Forscher die Erde und trotzen der heißen Mittagsson­ne. Hüte und Knieschütz­er sollen Sonne und gebückte Haltung erträglich­er machen. Unter den Wissenscha­ftern befinden sich auch einige junge Gesichter. Studenten der Universitä­t Wien unterstütz­en Michaela Binder bei ihrem Projekt. Trotz der drückenden Mittagshit­ze sind sie beharrlich am Werk. Ihr Antrieb, sich täglich in Staub und Hitze abzumühen? „Die Vorstellun­g, dass unter uns Menschen begraben sind, die vor tausend und mehr Jahren gelebt haben, fasziniert uns. Da nehmen wir Rückenschm­erzen schon einmal in Kauf.‘‘ Eine Studentin erzählt, wie schon ein kurzer Blick auf einen Knochen ausreicht, um einiges über den früheren Zustand des Individuum­s zu er- fahren. Lockeres Knochengew­ebe beispielsw­eise deute auf hohes Alter hin, Verfärbung­en im Knochen ließen auf Metallschm­uck schließen.

Gerade ist das Team dabei, die oberste HumusSchic­ht abzutragen, erst danach wird man in tiefere Schichten vordringen. Vier Wochen lang wird täglich von acht bis siebzehn Uhr gegraben, in jeweils drei Pausen gibt es eine wohlverdie­nte Stärkung. Bis die ersten Knochenfun­de das Tageslicht erblicken, dauert es aber noch. Und darauf will das Team natürlich gebührend anstoßen.

Dabei sein lohnt sich

Jeden Freitag Nachmittag im Juli sowie im August nach Vereinbaru­ng finden am Hemmaberg Führungen statt. Interessie­rte können den Archäologe­n über die Schulter schauen oder gar live miterleben, wie neue Skelette entdeckt werden. Im Pilgermuse­um in Globasnitz werden archäologi­sche Vorträge angeboten.

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Eingespiel­tes Team: Bei der Ausgrabung von uralten Skeletten wird kein Schritt dem Zufall überlassen. Jeder Knochenfun­d muss exakt dokumentie­rt werden
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Debüt am Grab: Studenten der Uni-Wien sammeln erste Erfahrunge­n
 ??  ?? Die Zähne eines Gebisses halten sich oft besonders gut
Die Zähne eines Gebisses halten sich oft besonders gut

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