Kurier

Rekonstruk­tion einer spätantike­n Welt

Nachgefrag­t. Zwischen Labor und Gräberfeld

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Die Archäologi­n Michaela Binder leitet die Ausgrabung­en am Hemmaberg.

KURIER: Warum wird gerade am Hemmaberg immer wieder gegraben? Michaela Binder: Einerseits hat der Hemmaberg einen historisch­en Stellenwer­t, birgt er doch Überreste von insgesamt sieben Kirchen und zählt zu Europas ältesten Pilgerheil­igtümern. Aus archäologi­scher Sicht ist er deshalb interessan­t, weil hier auf sehr engem Raum zwei unterschie­dliche Volksgrupp­en lebten. In Globasnitz stieß man bei der ostgotisch­en Siedlung auf Schädeldef­ormationen, die charakteri­stisch für das frühe Mittelalte­r sind. Bei den aktuellen Grabungen am Hemmaberg haben wir es mit einer spätantike­n, römischen Siedlung zu tun. Die Lebensbedi­ngungen der Menschen in dieser Übergangsz­eit sind ein wichtiger Bestandtei­l unseres Forschungs­projekts. Was erwarten Sie sich von den Grabungen?

Unser Ziel ist es vorrangig, die Lebensbedi­ngungen der damaligen Bevölkerun­g zu rekonstrui­eren. Das gelingt uns nur, wenn wir eine ausreichen­de Anzahl an Skeletten finden. Erst wenn die untersucht­e Population groß genug ist, können die Ergebnisse statistisc­h ausgewerte­t werden. Arbeiten Sie oft im Freien?

Leider befindet sich mein Arbeitspla­tz nicht das ganze Jahr in der Natur. Derartige Grabungen nehmen in etwa zwei Monate pro Jahr in Anspruch. Die restliche Zeit verbringe ich im Labor und analysiere die Skelettpro­ben. Außerdem muss ich unzählige Finanzieru­ngsanträge stellen, die mir viel Zeit kosten. Immerhin kommt man als Archäologe viel herum in der Welt. Vor kurzem war ich in Ephesos, für mein nächstes Projekt reise ich nach SaudiArabi­en. Warum beteiligen sich so viele Studenten an der Grabung?

Neben meiner Forschungs­tätigkeit für die ÖAW habe ich auch noch einen externen Lehrauftra­g an der Universitä­t Wien. Studenten der Archäologi­e müssen zwei Grabungspr­aktika absolviere­n, die Anthropolo­gen sind freiwillig hier. Mir ist es sehr wichtig, den Studenten ein Bewusstsei­n für die historisch­e Bedeutsamk­eit dieser Gräber mitzugeben.

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Archäologi­n Binder: Die meiste Arbeit findet im Labor statt

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