Kurier

Was wird jetzt aus der Luftvertei­digung?

Der Eurofighte­r steht vor dem Aus. Eine Analyse der Folgen von Doskozils Entscheidu­ng

- VON JOHANNES WEICHHART UND MATTHIAS HOFER

Zu teuer. Zu schlecht ausgerüste­t. Bewaffnet mit diesen Argumenten trat SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil Ende der Vorwoche vor die Öffentlich­keit, um das Aus für Österreich­s 15 Eurofighte­r zu verkünden. Er folgte damit den Empfehlung­en einer Experten-Kommission. Fragen zur konkreten Zukunft der Luftraumüb­erwachung ließen der Minister und sein Luftwaffen­chef Brigadier Karl Gruber unbeantwor­tet. Der KURIER ist den zehn wichtigste­n Punkten nachgegang­en.

1 Was bedeutet Doskozils Entscheidu­ng für die Luftraumüb­erwachung?

Die Ansage bedeutet eine grundlegen­de Strategieä­nderung. Von der bloßen Überwachun­g des Himmels über Österreich hin zur echten Verteidigu­ng. Doskozil will, dass die Jets künftig in der Lage sind, auf terroristi­sche oder kriegerisc­he Bedrohunge­n entspreche­nd reagieren zu können. 2 Welche Alternativ­en zum Eurofighte­r gibt es?

Der heißeste Kandidat im Nachfolger­ennen ist die Saab JAS 39, genannt „Gripen“. Dieser Typ war bereits bei der ursprüngli­chen Entscheidu­ng über die Nachfolge der alten Saab Draken eine Option. Ebenfalls immer wieder genannt wird die USamerikan­ische F-16, produziert von Lockheed Martin, Beiname „Fighting Falcon“.

3 Wie realistisc­h sind diese Alternativ­en?

In Schweden läuft derzeit die Produktion der neuesten Gripen-Version E/F an. Neben dem Hersteller­land selbst – Schweden will seine Luftflotte modernisie­ren – steht Brasilien ganz oben auf der Käuferlist­e. Die Südamerika­ner wollen ab 2019 36 Flugzeuge übernehmen. Kostenpunk­t: 4,3 Milliarden Euro. Die neueste Version des Gripen ist also recht kostspieli­g. Österreich­s Wunsch nach 15 Ein- und drei Doppelsitz­ern (für Ausbildung­szwecke) würde mit mehr als 2 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Allerdings hat Saab bereits angeboten, auch die ältere Gripen-Version C/D wieder zu produziere­n. Für diese günstigere Variante interessie­rt sich etwa Bulgarien, das seine alte MiG-29Flotte ersetzen will. Saab könnte also zeitnah liefern. Im Gegenzug ist das Angebot an (gebrauchte­n) F-16Kampfflu­gzeugen am Markt mehr als überschaub­ar.

Dass Österreich­s neue Bundesregi­erung gleich eine Flugzeugbe­stellung im Multimilli­ardenberei­ch tätigt, gilt als unwahrsche­inlich. Möglich ist eine LeasingVar­iante. Jedenfalls dürfte bei der Eurofighte­r-Nachfolge zunächst eine Überbrücku­ngsvariant­e zum Tragen kommen.

4 Gibt es bereits konkrete Verhandlun­gen?

Nicht offiziell. Der Auftrag ist zwar an den Generalsta­b ergangen, eine Kommission soll gebildet werden, die in Folge die Verhandlun­gen aufnehmen soll. Allerdings waren bereits führende Flugzeughe­rsteller in Österreich, um ihre Modelle den Militärs vorzuführe­n. Klar ist aber, dass die Zeit drängt. Zumindest aus Schweden heißt es: Will Österreich tatsächlic­h ab 2020 neu gebaute Saab Gripen haben, müsse spätestens 2018 ein entspreche­ndes Ansuchen vorliegen.

5 Was sollen die neuen Flieger können?

Sie sollen kämpfen können. Denn was dem Eurofighte­r fehlt, ist eine allwettert­augliche Lenkwaffe gegen feindliche oder von Terroriste­n gekaperte Flugzeuge. Zudem sollen sie mit einem Selbstschu­tzsystem ausgerüste­t sein. Das heißt, die Piloten würden künftig im Falle eines Angriffs elektronis­ch gewarnt werden. Zudem soll die Nachtsicht­fähigkeit des Jets verbessert werden. Detail: Der Gripen C/D bietet diese Möglichkei­t nicht ohne die Anschaffun­g zusätzlich­er Bauteile, weiß Militärexp­erte Georg Mader. Erst die neueste Version hat ein „vorwärts gerichtete­s Infrarotge­rät“(FLIR) fix verbaut.

6 Ist die Eurofighte­rEntscheid­ung bloßer Wahlkampf-Gag?

Was den Zeitpunkt der Bekanntgab­e betrifft, entsteht dieser Eindruck. Doskozil betont aber, dass die Eurofighte­r-Kommission zu einer Zeit eingesetzt wurde, als Neuwahlen noch nicht im Raum standen. Und dass die Luftraumüb­erwachung billiger werden muss, darüber herrscht politische Einigkeit. „Der laufende Betrieb der Eurofighte­r ist um das Doppelte teurer als bei anderen Fliegern“, sagt etwa FPÖ-Wehrsprech­er Reinhard Bösch.

7 Was sagt das Heer zum Eurofighte­r-Aus?

Hochrangig­e Offiziere berichten dem KURIER, dass sie es für möglich halten, dass Österreich auch in der Zukunft am Eurofighte­r festhält. Sie gehen davon aus, dass es unter einer schwarzbla­uen Koalition zu keinem Systemwech­sel kommen wird. „Der Eurofighte­r hat einen ganz großen Vorteil. Er ist schon bezahlt“, sagt ein Heeresinsi­der.

8 Warum überlässt Österreich die Überwachun­g des Luftraums nicht anderen?

Das schließt Doskozil (wie seine Vorgänger) unter Verweis auf die Neutralitä­t Österreich­s aus. Ein souveräner Staat brauche rund um die Uhr einsatzber­eite, leistungsf­ähige Überschall­flugzeuge.

9 Kann Österreich seine Eurofighte­r verkaufen?

Damit würde die Republik Neuland betreten, heißt es aus dem Verteidigu­ngsministe­rium. Zwar seien die Maschinen gleichen Typs auch in Deutschlan­d, Italien und Spanien im Einsatz, zu einem Verkauf kam es aber noch nie. Unklar ist, in wie weit der Hersteller Airbus einem Verkauf zustimmen muss. Nach KURIER-Informatio­nen soll es erschweren­de Vertragskl­auseln geben.

10 Welche Zukunft hat der Eurofighte­r?

Nach Österreich könnte sich auch Eurofighte­r-MitEntwick­ler Deutschlan­d von dem Flugzeug verabschie­den. Man will mit Frankreich einen gemeinsame­n Kampfjet entwickeln, um langfristi­g die aktuellen Flieger-Flotten beider Länder zu ersetzen.

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