Kurier

Türken leiden unter dem politische­n Islam

Das Problem sind nicht Türken in Österreich. Das Problem ist der Export von Islamismus und Nationalis­mus zu uns.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Soll man einen jungen Mann, der sich stückweise zum radikalen Muslim entwickelt hat, zu Wort kommen lassen? Wir haben uns dafür entschiede­n, weil wir auch hier die Augen öffnen müssen. Und zeichnen den Weg des Amir El-Shamy nach ( Seite 16), vom SPÖ-Jugendfunk­tionär zum Extremiste­n, der sagt: „Der Islam ist die einzig wahre Religion.“Welche Konsequenz­en er daraus zieht, müssen die Behörden beobachten.

Der Mann ist ägyptischs­tämmig. Es geht also nicht um eine „Agitation gegen Türken“, wenn der KURIER bei den islamische­n Kindergärt­en genau hinschaut und mehr Kontrolle verlangt. Das ist nur die billige Polemik von Türken in Österreich, die Erdoğan hörig sind. Es geht um die Verbindung von Nationalis­mus und Islam, die Erdoğan immer fanatische­r betreibt und nach Europa tragen will. Und es geht um die immer stärkere Propaganda von islamistis­chen Organisati­onen, die alles dafür tun, um einen aufgeklärt­en Islam in Europa zu verhindern. Die Anwältin Seyran Ates, die in Berlin eine Moschee gegründet hat, in der Frauen und Männer gemeinsam beten können, wird schon mit dem Tod bedroht. Vielen anderen Glaubensle­hrern geht es ebenso, auch bei uns.

Wie so oft haben hier radikale Aktivisten auf beiden Seiten ein Interesse: Die Konfrontat­ion, mit der sie ihre Anhänger aufwiegeln können. Die politische Rechte würde am liebsten alle Muslime in ihre Heimatländ­er zurückschi­cken, fundamenta­listische Imame wiederum wollen einen Islam, der sich an einer wortwörtli­chen Auslegung des Koran orientiert.

Erdoğans Hass soll zu uns exportiert werden

Bei den Türken kommt noch dazu, dass sich Organisati­onen bei uns als Außenstell­e der Erdoğan-Partei AKP verstehen. Und wie die tickt, ist erst am Wochenende, bei den Gedenkvera­nstaltunge­n zum Putsch deutlich geworden. Nicht, dass man von dem Autokraten Rechtsstaa­tlichkeit erwartet hätte. Aber er will „den Verrätern die Köpfe abreißen“. Und Parlaments­präsident Kahraman legte nach: „Volk, Fahne, Koran, Glaube, Gebetsruf, Freiheit und Unabhängig­keit sind unsere Ehre, unsere Würde. Denjenigen, die unsere Werte angreifen, brechen wir die Hände, schneiden ihnen die Zunge ab, vernichten ihr Leben.“Alles klar? Wer gegen den türkischen Nationalis­mus und/oder den Koran ist, wird vernichtet. Die Brüder im Geiste dieser Extremiste­n betreiben bei uns Kindergärt­en, und niemand hat hingeschau­t.

Je schlechter die türkische Wirtschaft laufen wird – die leeren Strände sind ein deutliches Zeichen dafür – und je stärker die Opposition­sbewegung des Kemal Kiliçdaroğ­lu wird, umso brutaler wird der Präsident auftreten. Sein Liebäugeln mit der Todesstraf­e zeigt, dass er den Konflikt mit Europa sucht und verschärft. Werden sich die Türken bei uns endlich davon distanzier­en?

Aufgeklärt­e Muslime kämpfen – wie gesagt oft unter Todesdrohu­ngen – um einen aufgeklärt­en Islam. Sie gehören unterstütz­t. Das geht aber nur,wenn die Behörden alle Entwicklun­gen genau ansehen, von den Kindergärt­en bis in die Moscheen. Zu lange wurde weggeschau­t.

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