Kurier

Grüner Kampf ums Überleben

Interne Turbulenze­n und zu wenig starke Themen – in den Ländern heißt es: Nerven bewahren

- VON C. BÖHMER, R. LINDORFER UND I. METZGER

Erst der Bruch mit der eigenen Parteijuge­nd; dann, im Mai, der plötzliche Rücktritt der langjährig­en Parteichef­in Eva Glawischni­g; und schließlic­h, vor zwei Wochen, kokettiert mit Peter Pilz einer der prominente­sten Parlamenta­rier damit, mit einer eigenen Liste bei der Wahl anzutreten: Nein, es lief alles andere als rund bei der Öko-Partei. Und die internen Turbulenze­n der vergangene­n Monate drohen nun einen über Jahre hinweg mühsam aufgebaute­n Erfolg zu zerstören.

Seit dem Einzug ins Parlament 1986 ging es langsam bergauf, in Umfragen sind die Grünen derzeit auf das Niveau aus dem Jahr 1999 zurückgefa­llen (siehe Grafik). Daran, dass sie bei der Wahl im Oktober ihr 2013er Ergebnis von 12,4 Prozent doch noch über- flügeln könnten, glauben derzeit die Wenigsten.

Bei den Themen sieht es auf den ersten Blick mau aus: Umwelt, Gleichbere­chtigung und Asyl sind als GrünKlassi­ker bekannt. Aktuell besetzt man mit Bildungssp­recher Harald Walser das Thema Schulrefor­m. Heute, Dienstag, soll der Erweiterte Bundesvors­tand Themen für den Wahlkampf fixieren.

Sollten sie 90 Tage vor der Wahl vielleicht sogar etwas Neues bringen? Meinungsfo­rscher Peter Hajek ist skeptisch: „Grundsätzl­ich ist das Problem der Grünen, dass sie sich kaum weiterentw­ickelt haben. Ihr Fokus war zu eng.“Und mit neuen Themen andere Zielgruppe­n ansprechen – das macht Pilz, sofern er antritt.

Geht’s nach Johannes Rauch, dem gut vernetzten Vorarlberg­er Landesrat, dann zählt für die Ökos jetzt vor al- lem eines: „Nerven bewahren.“Seine These: Der Wahlkampf dauert lange, „und da werden manche, die glauben, übers Wasser gehen zu können, noch sehr nass werden“.

Alleinstel­lung

Was die fehlenden Themen angeht, erinnert der Vorarlberg­er: „Wir haben eine Spitzenkan­didatin von europäisch­em Format. Allein Vorarlberg exportiert Waren im Wert von zehn Milliarden Euro pro Jahr nach Europa. Entspreche­nd viel hält die Wirtschaft von EU-kritischen Bundespoli­tikern.“Europa als Rettungsth­ema für die Grünen? Wer weiß das schon...

Ein weiteres Verkaufsar­gument für die Öko-Partei findet sich in den Bundesländ­ern: Immerhin sitzen die Grünen in sechs Landesregi­erungen. „Wir beweisen, dass wir regieren können und leiten sogar Ressorts, die nicht so einfach sind, wie etwa Integratio­n“, betont Oberösterr­eichs Landesrat Rudi Anschober, der in der blauschwar­zen Koalition gegen den Strom schwimmt. „Wenn wir diese Stärken bei den Wählern rüberbring­en können, ist nach oben alles möglich“, glaubt er.

Ein erstes Trendbarom­eter gibt es 14 Tage vor der Nationalra­tswahl. Am 1. Oktober finden im Burgenland die Gemeindera­tswahlen statt. Burgenland­s Grünen-Chefin Regina Petrik – sie ist übrigens die Mutter der Jungen GrünenRebe­llin Flora Petrik – ortet regional eine andere Dynamik als auf Bundeseben­e. „Wir treten erstmals in 30 Gemeinden an und verzeichne­n sogar Parteieint­ritte.“

Petrik hofft, von dieser Stimmung auch etwas in den Nationalra­tswahlkamp­f mitnehmen zu können. Doch auch sie möchte keine Schönfärbe­rei betreiben. Die Schwäche der Grünen, bei anderen Themen als Umweltpoli­tik oder Menschenre­chte zu punkten, ist offensicht­lich. „Wir haben viele gute Vorschläge für den sozialpoli­tischen Bereich etwa beim Mietrecht. Aber wir dringen damit nicht bis zum Wähler durch.“

Den Abschied von Peter Pilz sieht Burgenland­s Grünen-Chefin als „Verlust, aber nicht als Weltunterg­ang“.

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Dreierspit­ze: Steinhause­r als Klubchef, Felipe als Parteichef­in, Lunacek als Spitzenkan­didatin
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