Harter Brexit hätte fatale Folgen
Austrittsverhandlungen. Britische Wirtschaft fürchtet Szenario einer Trennung von EU ohne neues Abkommen
Ein Schreckensszenario macht die Runde: Am Morgen des 30. März 2019 ist der Himmel über Großbritannien viel ruhiger als sonst. Es ist der erste Tag, an dem Großbritannien kein Mitglied der EU mehr und ohne ein Abkommen zur Zusammenarbeit, also mit einem „harten Brexit“, aus der europäischen Gemeinschaft ausgeschert ist. Das bedeutet: Das Vereinigte Königreich musste auch den gemeinsamen europäischen Luftraum verlassen.
Mit dem Näherrücken des Brexits, dessen Verhandlungen gestern in Brüssel erstmals ins Konkrete gingen, wird den britischen Airlines der Ernst der Lage bewusst. Die Billigf luglinie Easyjet zog als erste Konsequenzen und bemüht sich, wie der KURIER berichtete, um eine Lizenz in Wien. Denn nur mit einer Basis innerhalb eines EU-Staates können britische Fluglinien auch künftig Strecken außerhalb des Vereinigten Königreiches anfliegen. Aber auch für Flüge zwischen EU und der Insel ist im Falle eines „Hard Brexit“alles in Schwebe: „Es gibt keinen gesetzlichen Mechanismus, innerhalb dessen Fluglinien bei einem harten Brexit agieren können“, gibt Ryanair-Chef Michael O’Leary zu bedenken.
Händeringend warnt die britische Industrie: Ein Ausstieg aus der EU ohne künftige Abkommen wäre eine Katastrophe. Zu spüren wären die ersten Schockwellen schon am Tag 1: Mit einem Schlag würden Zollschran- ken hochgehen. An Grenzen und Häfen müssten Abgaben und Steuern bezahlt werden. Kilometerlange Staus würden sich auf bauen, es hieße tageslanges Warten – kostspielige Verzögerungen für die britische Automobilindustrie, die dank zeitlich punktgenauer Lieferungen kostengünstig arbeitet.
„Massive Störungen“
Dasselbe Bild im Lebensmittelhandel: „Niemand sagt, dass im Land der Hunger ausbrechen wird, aber es wird zu massiven Störungen der Lieferkette kommen“, befürchtet Ian Wright, Direktor des britischen Lebensmittelverbandes. Ähnlich ist die Lage von der chemischen Industrie bis hin zur medizinischen Versorgung: Nach dem Ausstieg aus der EUAtomagentur (Euratom) und ohne ein neues Abkommen dürfte das Vereinigte Königreich beispielsweise keine radioaktiven Isotopen einführen, wie sie zur Krebsbehandlung benötigt werden.
Beim Auftakt der Gespräche gestern in Brüssel drängte Brexit-Minister David Davis dementsprechend: „Es ist für uns unglaublich wichtig, jetzt gute Fortschritte zu machen.“Zunächst müssen die Bürgerrechte für drei Millionen Europäer in Großbritannien und 1,2 Millionen Briten in der EU geklärt werden.