Londons EU-Austrittskurs droht zur Irrfahrt zu werden
Komplizierte Gemengelage. Theresa May gilt gemeinhin nicht als gute Teamworkerin. Die britische Premierministerin ist eigentlich dafür bekannt, Politik nur im kleinsten Kreis ihrer Vertrauten zu machen. Doch nach der Wahlniederlage im Juni dieses Jahres muss sich auch die Konservative einmal um das Wohlwollen nicht nur ihrer Partei, sondern auch der Opposition bemühen. In einer Rede vor wenigen Tagen rief die Regierungschefin Labour-Chef Jeremy Corbyn auf, doch in den wichtigen Zukunftsfragen des Landes mit ihr zusammenzuarbeiten, allen voran beim Brexit, dem geplanten EU-Austritt des Landes.
Doch der Labour-Chef lässt keine Gelegenheit aus, um genau diese Zusammenarbeit konsequent zu boykottieren. In der Vorwoche brachte die May-Regierung das erste große Gesetzesvorhaben zum Brexit ins Parlament ein. Es ist jene Rechtsgrundlage, die aus bisher in Großbritannien geltendem EU-Recht nationales Recht macht. Corbyn tönte schon vorab, der Entwurf sei „jetzt bereits Geschichte“, dazu warnte er die Premierministerin öffentlich vor einer Ab- stimmungsniederlage im Parlament, wenn sie nicht einlenke.
Tatsächlich droht May nicht nur bei diesem Gesetzesvorhaben eine Niederlage. Nach dem Fiasko bei der Parlamentswahl muss die Premierministerin mit einer kleinen eigenbrötlerischen Partei aus Nordirland in Koalition regieren und hat trotzdem nur eine knappe Mehrheit im Londoner Unterhaus. Das lässt die lange mundtot gemachten Pro-Europäer in ihrer Partei Hoffnung schöpfen.
Gegenwind für May
Der harte Brexit-Kurs, den die Premierministerin, flankiert von EU-Gegnern wie Außenminister Boris Johnson, vorgegeben hatte, könnte mit wenigen Nein-Stimmen aus der Regierungspartei gestoppt werden. Führende Parteivertreter, wie etwa die schottische Tory-Chefin Ruth Davidson, rufen dazu auf, den gemeinsamen Markt mit der EU zum wichtigsten Ziel der Verhandlungen zu machen. Der harte Brexit
so drastisch formuliert es ein prominenter Parteiveteran, ist „ein Krebsgeschwür, das an uns nagt“.