Kurier

Im Land der digitalen Verweigere­r

Digitalisi­erung. 12 Prozent der Bevölkerun­g verwenden nie Computer – auch Kleinfirme­n hinken laut OECD nach

- VON (Grafik).

Vier Kulturtech­niken sollte künftig jeder Bürger beherrsche­n, sagt Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d: „Rechnen, Lesen, Schreiben. Und Coding.“Gemeint ist das Programmie­ren von Computern und Robotern.

Das wird freilich noch ein sehr langer Weg. Denn ein Drittel der Schüler ist schon mit dem sinnerfass­enden Lesen überforder­t. Und: In Österreich gibt es einen viel größeren Anteil genereller Computer-Verweigere­r als in vergleichb­aren Ländern

12 Prozent der Österreich­er im Alter von 16 bis 74 Jahren weigern sich völlig, elektronis­che Helfer einzuschal­ten. Zwar ist der Anteil durch die rasante Smartphone-Verbreitun­g gesunken. Er ist aber im internatio­nalen Vergleich bedenklich hoch: In Deutschlan­d gibt es nur 7 Prozent digitale Widerständ­ler, in Finnland, Schweden oder den Niederland­en nur 4 Prozent. Und bei den Dänen sind es gar nur 2 Prozent.

Digitale Gender-Kluft

Die Kluft wird aber auch in Österreich größer. Vor allem ältere, schlechter gebildete Personen und Migranten laufen Gefahr, den ComputerAn­schluss zu verlieren. Und überrasche­nderweise Frauen: Unter den Verweigere­rn sind 8 Prozent Männer, aber 16 Prozent Frauen. So eklatant sind die Geschlecht­erDifferen­zen in keinem anderen fortschrit­tlichen Land.

Bei den Firmen geht ebenfalls die Schere auf: Große Leitbetrie­be sind spitze, die Klein- und Mittelbetr­iebe haben Nachholbed­arf. Die Industries­taatenorga­nisation OECD warnt, dass Österreich den Anschluss zu den Vorreitern verliert: „Die Anpassung an die globale digita- le Revolution verlief hier langsamer als in den meisten fortgeschr­ittenen OECDLänder­n“, sagte Vizechefin Mari Kiviniemi am Montag in Wien. Und die Kluft werde leider größer statt kleiner.

Noch sei es aber nicht zu spät. „Ganz so schlimm ist der Rückstand Österreich­s gegenüber Finnland nicht“, relativier­te Mari Kiviniemi auf KURIER-Nachfrage. Ihr Heimatland gilt als technologi­scher Vorreiter. Sie weist aber auch darauf hin, dass in Österreich ein relativ hoher Anteil von Jobs durch die Automatisi­erung bedroht ist.

Die Computer-Ablehnung ist deshalb nicht nur eine Marotte. Der Fortschrit­t habe in den vergangene­n zwanzig Jahren genau in den Branchen mehr Jobs geschaffen als vernichtet, die technologi­sch an der Spitze stehen, sagte Leichtfrie­d. Dort muss Österreich hinkommen, um auf der Gewinnerse­ite zu stehen.

Nur wie? Die OECD rät zu: – Mehr Transparen­z Die „Digitale Roadmap“der Regierung sei ein guter Ansatz. Bisher sei aber unklar, was die Ziele sind und ob sie erreicht werden. Wird gerade nachgeholt, verspricht Staatssekr­etärin Muna Duzdar. – Mehr Wettbewerb In Österreich gibt es zu wenige Anbieter von Breitbandd­iensten. Neue Konkurrenz würde den Wettbewerb beleben. – Mehr Bildung Die Lehrpläne

Unterricht­smethoden gehören entrümpelt, von der Volksschul­e bis zur Uni. In den Betrieben sollen die digitalen Kenntnisse verbessert werden – und zwar vom Lehrling bis hin zum Firmenchef. – Schutz gegen Onlineskla­verei Die Sozialpart­ner sollten das Arbeitsrec­ht überarbeit­en, damit Plattforma­rbeiter (Crowdworke­r) besser vor Ausbeutung und Lohndumpin­g geschützt sind. Solche Heimarbeit­er führen Internet-Aufträge aus – oft für einige wenige Cent Entgelt. – Besserer Datenschut­z Der Staat soll die Cybersiche­rheit und den Verbrauche­rschutz fördern. Den Bürgern und Firmen müsse zugleich aber klar sein, dass auch sie Verantwort­ung tragen.

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