„Es wäre ein Albtraum“
Karin Viard über Kinderkriegen mit 50, Anthony Quinn und ihre Oma
Der Crouton im Salat, den Madame mangels Mittagspause während des Interviews verzehrt, bleibt ihr fast im Hals stecken: „Mein Gott, es wäre ein Albtraum“, sagt Karin Viard, „ich würde es hassen“.
Was sie so sehr hassen würde? – In reifem Alter, sprich: wie ihre Filmfigur Nicole Payan in Nadège Loiseaus Komödie „Das unerwartete Glück der Familie Payan“mit fast 50 Jahren, noch einmal schwanger zu werden.
„Wenn man schon 50 ist und große Kinder hat, bedeutet das normalerweise, dass sie das Haus verlassen und dass man wieder sein Leben leben kann. Sonst ist man ja mit 75 noch hauptberuflich Mama. Schrecklich!“.
Viard selbst ist 51 und hat zwei Kinder im Alter von 17 und 19 Jahren: „Ich weiß: In ein paar Jahren habe ich es geschafft“.
Viard ist eine der f leißigsten und populärsten Schauspielerinnen Frankreichs – eine, deren Gesicht und Stimme dort jeder kennt. In über 80 Film- und Fernsehproduktionen spielte sie mit, darunter in Jean-Pierre Jeunets köstlicher rabenschwarzer Komödie „Delicatessen“, in Solveig Anspachs César-gekröntem „Hoch die Herzen“und in „Verstehen Sie die Béliers?“über eine gehörlose Familie mit musikbegabter Tochter.
Die „Béliers“waren ein ungeheurer Publikumser- folg, in Frankreich wie im Rest Europas. Viard: „Es war eine starke Erfahrung für mich, in die Welt der Gehörlosen einzutauchen. Sechs Monate lang habe ich Gebärdensprache gelernt, um mit Gehörlosen kommunizieren zu können. Es war genial, als ich dann Brücken in diese mir bis dahin fremde Welt schlagen konnte. Wunderschön“.
Mit ihrem neuen Film „Das unerwartete Glück der Familie Payan“– das Regiedebüt der jungen Französin Nadège Loiseau – wird diese Rekordzahl an Besuchern wohl nicht erreicht werden: „Als die ,Payans‘ in Frankreich herausgekommen sind, hatten wir das Pech, dass gleichzeitig so viele andere Filme starteten, die alle auf das gleiche Publikum ausgerichtet waren. Und Sie wissen ja, wie das ist: Wenn die Leute in der ersten Woche nicht kommen, ist man schnell wieder draußen aus den Kinos. Schade. Aber international verkauft sich der Film gut“.
Ernste Botschaften
Der Film sei zwar vordergründig eine Komödie, aber er vermittle daneben auch noch ernstere Botschaften: „Was bedeutet Familie eigentlich? Was macht viel oder – in diesem Fall – wenig Geld für eine Familie aus? Wirst du einfach so Mutter oder bedarf es eines Reifeprozesses, um dafür bereit zu sein? Die Warmherzigkeit dieses Films, seine liebevolle Atmosphäre mag ich sehr“.
Wollte sie immer schon Schauspielerin werden? – „Ja, definitiv. Mit zehn Jahren habe ich den ,Glöckner von Notre Dame‘ mit Anthony Quinn und Gina Lollobrigida gesehen. Der Film hat mich emotional so aufgewühlt, dass ich sofort wusste, das will ich auch machen. Die Gedanken an den Film haben mich beflügelt. Es war ein Schlüsselmoment: Ich wollte so sein wie Anthony, der so viele Gefühle in mir geweckt hat. Nicht das niedliche kleine Mädchen wie Gina“.
Als Stütze an ihrer Seite hatte sie immer ihre Großmutter, erzählt Viard: „Sie hat mich erzogen, sie hat mich immer bestärkt. Sie hat mir eine positive Sicht auf die Welt mitgegeben. Dass ich mich selbst nicht zu ernst nehme, dass ich meine Arbeit liebe. Ach, meine tolle Oma!“
Ob sie Angst vor dem Älterwerden hat? Dass dann vielleicht die interessanten Rollen ausbleiben? – „Nun“, seufzt Karin Viard, „so weit bin ich noch nicht. Aber es stimmt schon: Das Kino ist auf sehr junge Leute ausgerichtet, weil sie den Hauptteil des Publikums bilden. Und die wollen nicht unbedingt Geschichten von und mit Alten sehen. Ältere Zuseher bringen eben keine 20 Millionen am Box Office. Die Jungen bringen das Geld und an ihnen orientiert sich natürlich alles. Also klar, ich habe schon Angst vor dem Moment, wo ich vielleicht zu alt für deren Sehgewohnheiten bin“.