Wird man Abgeordneter? „Die Blankoverzichtserklärungen sind rechtlich für die Würste“
Listenplätze. Filzmaier-Kritik an ÖVP- und SPÖ-Vorgehen für Umreihungen
Der Politologe und Universitätsprofessor Peter Filzmaier analysiert das österreichische Listensystem. KURIER: Herr Professor, für viele sind die Wahllisten rätselhaft. Stimmt der Eindruck? Peter Filzmaier: Die Listenerstellung ist wenig transparent. Das liegt auch an einem komplizierten Wahlrecht. Man will eine regional ausgewogene Verteilung der Abgeordneten. Deswegen gibt es Wahlkreise und Direktmandate, Mandate über Landeslisten und Bundeslisten. Die Idee ist gut argumentierbar, ich finde sie richtig. Würde man reinen Personenwahlkampf in einem Gesamtwahlkreis Österreich führen, hätte der Wiener immer größere Chancen als der Südburgenländer, mehr Vorzugsstimmen zu bekommen. Eine Person kann auf mehreren Listen kandidieren. Absurd?
Die Person kann aber nur ein Mandat annehmen. Das führt zu Abtauschgeschäften innerhalb der Parteien. Wie auf einem Basar ...
Das System provoziert das. Es ist üblich, ein Direktmandat anzunehmen. Zwischen Bundes- und Landeslisten kann aber fröhlich getauscht werden. Das nützt der Parteisteuerung. Tauschgeschäfte und Taktik sind nicht verboten, für den Bürger sind sie aber intransparent. Egal welche Partei man wählt, keiner weiß, welchen Abgeordneten auf Platz 3 der Bundes- liste er gewählt hat. Das schafft eine Distanz zwischen Abgeordneten und Volk. Ist das eine Schwäche des Wahlrechtes?
In Österreich vertraut man den Parteien aus historischen Gründen, dass sie eine Auswahl treffen. Damit soll ein Personenkult vermieden werden ( Ein Personenkult wird aber durch Medien vorangetrieben. ÖVP-Chef Sebastian Kurz favorisiert Persönlichkeiten auf seiner Liste. Liegt er damit richtig?
Die saubere Methode für eine Regierungspartei wäre zu versuchen, das Wahlrecht zu ändern. Die gesetzliche Hürde für Vorzugsstimmen sollte deutlich gesenkt werden, um eine Vorreihung zu ermöglichen. Kurz erklärt nun, dass es in der Partei niedrigere Schwellen für Vorzugsstimmen gibt, nach Bundesländern unterschiedlich. Das Gesetz gilt aber immer noch. Alle Kandidaten – auch in der SPÖ – müssen eine Verzichtserklärung unterschreiben. Wird damit das Gesetz negiert?
Die Blankoverzichtserklärungen sind rechtlich für die Würste. Man kann das Gesetz, die Verfassung, durch eine Blankoverzichtserklärung nicht einfach aushebeln. Das sind moralische Ehrenerklärungen, um die Leute in der Partei unter Druck zu setzen. Was ist nun attraktiv an der Idee von Kurz?
Strategisch will er dadurch Kandidaten im Wahlkampf motivieren. Die ÖVPNiederösterreich macht das seit Jahren unter der Devise: Wir reihen nach Vorzugsstimmen neu, deswegen gibt es keine sicheren Plätze. Es gibt aber einen Schwachpunkt bei Kurz, das Reißverschlusssystem nach Geschlecht. Bei einer Vorzugsstimmenreihung gibt es keine 50:50-Entscheidung. In Niederösterreich sind über 80 Prozent der ÖVP-Mandatare Männer. Gibt es ein Wahlrecht in der EU, das Sie für modellhaft halten?
Das deutsche System, jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine für die Person im Wahlkreis, die andere für die Partei. Das ist eine gute Mischung zwischen Personal- und Verhältniswahlrecht. Man kann die Stimmen auch splitten.