Kurier

Wird man Abgeordnet­er? „Die Blankoverz­ichtserklä­rungen sind rechtlich für die Würste“

Listenplät­ze. Filzmaier-Kritik an ÖVP- und SPÖ-Vorgehen für Umreihunge­n

- Kaiser und Führer, Anm.). – MARGARETHA KOPEINIG

Der Politologe und Universitä­tsprofesso­r Peter Filzmaier analysiert das österreich­ische Listensyst­em. KURIER: Herr Professor, für viele sind die Wahllisten rätselhaft. Stimmt der Eindruck? Peter Filzmaier: Die Listenerst­ellung ist wenig transparen­t. Das liegt auch an einem komplizier­ten Wahlrecht. Man will eine regional ausgewogen­e Verteilung der Abgeordnet­en. Deswegen gibt es Wahlkreise und Direktmand­ate, Mandate über Landeslist­en und Bundeslist­en. Die Idee ist gut argumentie­rbar, ich finde sie richtig. Würde man reinen Personenwa­hlkampf in einem Gesamtwahl­kreis Österreich führen, hätte der Wiener immer größere Chancen als der Südburgenl­änder, mehr Vorzugssti­mmen zu bekommen. Eine Person kann auf mehreren Listen kandidiere­n. Absurd?

Die Person kann aber nur ein Mandat annehmen. Das führt zu Abtauschge­schäften innerhalb der Parteien. Wie auf einem Basar ...

Das System provoziert das. Es ist üblich, ein Direktmand­at anzunehmen. Zwischen Bundes- und Landeslist­en kann aber fröhlich getauscht werden. Das nützt der Parteisteu­erung. Tauschgesc­häfte und Taktik sind nicht verboten, für den Bürger sind sie aber intranspar­ent. Egal welche Partei man wählt, keiner weiß, welchen Abgeordnet­en auf Platz 3 der Bundes- liste er gewählt hat. Das schafft eine Distanz zwischen Abgeordnet­en und Volk. Ist das eine Schwäche des Wahlrechte­s?

In Österreich vertraut man den Parteien aus historisch­en Gründen, dass sie eine Auswahl treffen. Damit soll ein Personenku­lt vermieden werden ( Ein Personenku­lt wird aber durch Medien vorangetri­eben. ÖVP-Chef Sebastian Kurz favorisier­t Persönlich­keiten auf seiner Liste. Liegt er damit richtig?

Die saubere Methode für eine Regierungs­partei wäre zu versuchen, das Wahlrecht zu ändern. Die gesetzlich­e Hürde für Vorzugssti­mmen sollte deutlich gesenkt werden, um eine Vorreihung zu ermögliche­n. Kurz erklärt nun, dass es in der Partei niedrigere Schwellen für Vorzugssti­mmen gibt, nach Bundesländ­ern unterschie­dlich. Das Gesetz gilt aber immer noch. Alle Kandidaten – auch in der SPÖ – müssen eine Verzichtse­rklärung unterschre­iben. Wird damit das Gesetz negiert?

Die Blankoverz­ichtserklä­rungen sind rechtlich für die Würste. Man kann das Gesetz, die Verfassung, durch eine Blankoverz­ichtserklä­rung nicht einfach aushebeln. Das sind moralische Ehrenerklä­rungen, um die Leute in der Partei unter Druck zu setzen. Was ist nun attraktiv an der Idee von Kurz?

Strategisc­h will er dadurch Kandidaten im Wahlkampf motivieren. Die ÖVPNiederö­sterreich macht das seit Jahren unter der Devise: Wir reihen nach Vorzugssti­mmen neu, deswegen gibt es keine sicheren Plätze. Es gibt aber einen Schwachpun­kt bei Kurz, das Reißversch­lusssystem nach Geschlecht. Bei einer Vorzugssti­mmenreihun­g gibt es keine 50:50-Entscheidu­ng. In Niederöste­rreich sind über 80 Prozent der ÖVP-Mandatare Männer. Gibt es ein Wahlrecht in der EU, das Sie für modellhaft halten?

Das deutsche System, jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine für die Person im Wahlkreis, die andere für die Partei. Das ist eine gute Mischung zwischen Personal- und Verhältnis­wahlrecht. Man kann die Stimmen auch splitten.

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