„2000 neue Klassen für Wien“
Interview. Beate Meinl-Reisinger (Neos) will Kinder mit Deutschproblemen intensiver fördern Nach Badeunfall mit 13-Jährigem: Angeklagte Lehrer müssen zahlen
Wer wird die Landespartei und den Klub führen, sollten Sie in den Nationalrat einziehen?
Parteichefin bleibe ich in jedem Fall. Ich würde nicht kandidieren, wenn ich nicht bereit wäre zu wechseln – aber die Entscheidung treffe ich nach dem 15. Oktober. Welche Ihrer Forderungen konnten Sie in den vergangenen eineinhalb Jahren auch umsetzen?
Wir haben kompromisslos aufgezeigt, wo mit unserem Steuergeld sorglos umgegangen wird, jetzt gibt es erstmals einen Subventionsbericht. Durch unsere Anfragen liegen nun erstmals die Höhe der Klub- und Parteienförderung transparent am Tisch. Und wir haben als einzige Partei hier auf eine neue Förderung verzichtet. In der Diskussion um die Islam-Kindergärten haben wir als Erste Antworten geliefert. In Zusammenhang mit der Integration sind die mangelnden Deutschkenntnisse von Kindern und Jugendlichen aus Zuwanderer-Familien eines der Hauptprobleme. Wie wollen Sie es lösen?
Durch eine Integrationsund Deutschoffensive. Ich will keine Brennpunktschulen mehr in Wien. Wir sind für Vorbereitungsklassen: Kinder sollen erst in den Regelunterricht kommen, wenn sie gut genug Deutsch sprechen. Der nächste Punkt: Wir haben in der Stadt 50 Prozent Risikoschüler mit schlechten Sprachkenntnissen und einem ungünstigen Einkommens- und Bildungshintergrund der Eltern. Diese Kinder brauchen mehr Angebote und mehr Förderung. Wenn in einer Klasse 80 Prozent der Kinder nicht Deutsch sprechen, soll die Schülerhöchstzahl statt bei 25 bei maximal zwölf liegen. Das heißt, dass wir in den Pflichtschulen so rasch wie möglich 2000 neue Klassen in Wien brauchen. Und man muss sich die Frage stellen, ob freiwillige Angebote ausreichen, oder es verpflichtende Deutschintensivkurse am Nachmittag oder in den Ferien braucht. Sollen in den Kleinklassen nur Risikoschüler sitzen?
Über die Zusammensetzung der Klassen sollen die Schulen grundsätzlich selbst entscheiden. In der Neuen Mittelschule Gassergasse etwa gibt es jetzt schon homogene Kleingruppen aus zwölf Kindern, die gut zusammenpassen, Wichtig ist dann aber auch, dass über Projektunterricht alle Schüler zusammenkommen und voneinander lernen. Woher wollen Sie das nötige Personal nehmen?
In vielen Schulen wird Teamteaching verwendet. Da sind also schon zwei Pädagogen da. Wir müssen schauen, dass diese tatsächlich in der Klasse stehen und nicht für allgemeine Schulverwaltung herangezogen werden. Wir müssen auch Möglichkeiten schaffen, dass Menschen mit anderen Ausbildungen und pädagogischen Kursen die Chance haben, zu unterrichten. Wie soll die Aufstockung finanziert werden?
Es braucht circa 220 Millionen Euro zusätzlich. Das ist viel Geld, aber wir zeigen nahezu wöchentlich auf, wo die Stadt das Geld zum Fenster hinauswirft. Außerdem: Stadträtin Sandra Frauenberger definiert die Mindestsicherung als Investition in die Menschen. Für mich liegt die wahre Investition in der
Bildung. Zur Mindestsicherung: Die Neos fordern eine dreimonatige Wartefrist für Anspruchsberechtigte, die nach Wien ziehen. Ist es sozial gerecht, Menschen in zwei Kategorien zu teilen? Das ist keine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine Notwehrmaßnahme, weil die Bundesregierung keine bundeseinheitliche Regelung und keine Wohnsitzauflage zusammen bringt. Besteht nicht die Gefahr, dass die Menschen trotzdem kommen und dann Jobs um jeden Preis annehmen?
Nichts kann uns wichtiger sein als eine gelingende Integration. Und einen Job anzunehmen, ist ein Beitrag zur Integration. Es gibt offene Lehrstellen in Salzburg und in Tirol, dort sind die Chancen da. Ich möchte nicht, dass falsche Anreize gesetzt werden und dass Menschen aufgrund der Mindestsicherung in Wien keine Jobs annehmen. Echte Integration kann nur passieren, wenn man einen Arbeitsplatz hat. Die ÖVP kann sich vorstellen, die Wohnungsnot in Wien dadurch zu lindern, indem Eigentum stärker gefördert wird. Eine sinnvolle Maßnahme?
Eigentum trägt dazu bei, dass man ein selbstständiges, eigenverantwortliches Leben führen kann. Wichtig ist, dass wir mehr Angebote haben. Unser Vorschlag ist, Baurechte an Wohnbauträger zu vergeben, anstatt Grundstücke an parteinahe Bauträger zu verkaufen. Die Neos verstehen sich als Kontrollpartei. Macht Ihnen jetzt die Kandidatur von Peter Pilz dieses Alleinstellungsmerkmal abspenstig?
Pilz hat viele Verdienste im Kampf gegen Korruption. Aber auch er ist seit über 30 Jahren Teil des politischen Systems. Er hat seinerzeit noch in die alte Politikerpensionslogik hineinoptiert. Jetzt fordert er die Kürzung der Parteienförderung. Die Menschen werden für sich entscheiden, wie glaubwürdig das ist. Falls die Neos in die Verlegenheit kommen, über eine mögliche Regierungsbeteiligung zu verhandeln: Welche Partei käme als Partner in Frage?
Schwarz-Rot will wirklich niemand mehr. Aus europaund gesellschaftspolitischen Gründen wollen wir keine Regierung mit der FPÖ. Man wird sehen, was sich rechnerisch ausgeht. Es ist kein Geheimnis, dass ich wegen meiner Erfahrungen in Wien Rot- Grün nicht unbedingt für den Bund empfehlen kann. Prozess. Drei Wiener Lehrer – zwei Männer und eine Frau – standen am Donnerstag am Landesgericht Eisenstadt wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht. Während ihrer Aufsicht soll am 29. Juni 2016 ein damals 13-jähriger Schüler im Neufelder See (Bezirk Eisenstadt Umgebung) untergegangen sein.
Nach einer Suchaktion barg ein Taucher den Burschen aus sechs Metern Tiefe. Er war zumindest 30 Minuten unter Wasser gewesen und wurde vom Notarzt reanimiert. Der Jugendliche wurde danach wochenlang intensivmedizinisch betreut. Laut Staatsanwaltschaft hatten sich die drei Angeklagten nicht in unmittelbarer Nähe zu den badenden Schülern befunden. Es habe kein Sichtkontakt zu den Kindern bestanden. Die Lehrer seien erst von Schülerinnen über den Vorfall informiert worden.
Beim Prozess bekannten sich die drei Lehrer nicht schuldig. Dem Vorschlag des Richters, zwischen 1900 und 2100 Euro zu zahlen, akzeptierten sie. Auch die Staatsanwaltschaft stimmte der Diversion zu.
Schwimmkenntnisse
Laut Angaben einer angeklagten Lehrerin sei die Klasse bereits am Vortag des Unfalls schwimmen gewesen. Dort sei der 13-Jährige ins Wasser gegangen, „als wäre er bereits hundert Mal im Schwimmbad gewesen“, sagte sie. Mit dem damals anwesenden Sportlehrer wären die Schwimmkenntnisse des Schülers nicht besprochen worden.
Der angeklagte Sportlehrer hatte zuvor bei der Befragung durch den Richter erklärt, dass der damals 13-jährige Bursch beim Baden am Vortag des Unfalls keine Anzeichen gezeigt hätte, nicht schwimmen zu können.
Das inzwischen 14-jährige Opfer konnte sich im Zeugenstand nicht mehr an den Unfall erinnern. Vom Richter gefragt, ob er schwimmen könne, antwortete er „Nein“.