Kurier

„Nur ein Schlagwort: Museum für Fotografie“

Bundesmuse­en. Auch mit 75 Jahren ist Edelbert Köb aufmüpfig: Er kritisiert die Kulturpoli­tik und den „Essl-Deal“. Die Idee, ein Fotomuseum zu gründen, ist für ihn „unüberlegt­e Ankündigun­gspolitik“.

- VON THOMAS TRENKLER

Vor knapp einem Jahr wurde Edelbert Köb von Kulturmini­ster Thomas Drozda (SPÖ) beauftragt, sich über eine Reform der Bundesmuse­en Gedanken zu machen. Nicht ohne Grund: Der Vorarlberg­er, 1942 geboren, kennt den Betrieb wie kaum ein Zweiter. Köb lehrte ab 1974 an der Akademie der bildenden Künste in Wien, daneben war er von 1982 bis 1991 Präsident der Secession und von 1990 bis 2000 Leiter des Kunsthause­s Bregenz. Als Direktor des Museums Moderner Kunst in Wien (Mumok) von 2001 bis 2010 präsentier­te er eine Vielzahl heimischer Künstler, darunter Maria Lassnig, Brigitte Kowanz, Heimo Zobernig, Erwin Wurm und Peter Kogler. KURIER: Im Weißbuch zur Reform der Bundesmuse­en, Ende April präsentier­t, hat eine von Ihnen geleitete Expertengr­uppe zahlreiche Maßnahmen vorgeschla­gen. Was passiert nun? Edelbert Köb: Es wird wohl vorläufig in der Schublade verschwind­en, denn es ist nicht anzunehmen, dass sich die Regierung angesichts des Wahlkampfs und drängender­er Probleme einer Kulturfrag­e zuwenden wird. Dann erleiden die Vorschläge ein ähnliches Schicksal wie jene, die 2007 unter der damaligen SPÖ-Kulturmini­sterin Claudia Schmied erarbeitet wurden?

Mit einem großen Unterschie­d: Das Papier von Sabine Breitwiese­r, Dieter Bogner und Martin Fritz blieb unter Verschluss; unser Papier hingegen wurde veröffentl­icht. Und die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich glaube, dass das Thema sehr bald wieder aufgegriff­en werden muss. Weil die Zustände unhaltbar sind und die nächste Museumsdis­kussion unvermeidb­ar ist. Einer Ihrer Kritikpunk­te ist, dass es bei den Ausstellun­gen zu viel vom Gleichen gibt.

Ja. Der Sammlungsb­estand unserer Kunstmusee­n reicht von der Antike bis zur Gegenwart. Jedes Museum hatte ursprüngli­ch seine genau definierte­n Aufgaben. Hatte! Heute spielen viele vieles, am liebsten auch noch Gegenwarts­kunstmuseu­m. Das ist das Grundprobl­em. Das sehe nicht nur ich so, sondern eine Mehrheit der Experten, die sich aber kaum öffentlich zu Wort melden – sind sie doch mehrheitli­ch im subvention­ierten Kulturbere­ich tätig. Und die Politik bestraft Widerständ­igkeit sofort mit karrieresc­hädigendem Liebesentz­ug. Ihr Lösungsvor­schlag?

Wir haben eine reiche, ja imperiale Museumslan­dschaft geerbt, was wir nicht haben – auch nicht im republikan­ischen Format – ist eine Tate Modern, ein Centre Pompidou. Wir brauchen aber ein entspreche­ndes, starkes, zukunftsge­richtetes Museum – statt viele Museen, die additiv auch noch Zeitgenöss­isches machen. Stärken wir also unser Museum für Moderne und Gegenwarts­kunst derart, dass die anderen Museen diesbezügl­ich schlicht in die Schranken gewiesen werden. Ich habe in meiner Amtszeit im Mumok permanent auf eine räumliche Erweiterun­g insistiert, weil mir klar war, dass das Museum mit den derzeitige­n Ressourcen seinen Auftrag nicht erfüllen kann. Ihre Nachfolger­in Karola Kraus erklärte in ihrer Antrittspr­essekonfer­enz, mit dem Platz ihr Auslangen zu finden. Ein Fehler?

Dazu will ich mich nicht äußern. Ich kann nur sagen: Ich schlug vor, das gesamte MuseumsQua­rtier zum starken Museum moderner Kunst zu machen. Haben wir doch im Leopold Museum die österreich­ische Moderne in erster Qualität. Diese sollte mit der internatio­nalen klassische­n Moderne aus dem Mumok zusammenge­führt werden. Und wenn noch die Kunsthalle Wien übersiedel­n würde, gäbe es genügend Platz für die Kunst der Gegenwart, sogar Perspektiv­en für die Zukunft. Direktor Nicolaus Schaf hausen hätte, wie ich gelesen habe, nichts gegen einen anderen Standort. Und von der Architektu­r her gibt es bereits Pläne für die direkte Anbindung. Was ärgert Sie noch?

Nur ein Punkt unter vielen: Es kann doch nicht sein, dass Museen Kunst außerhalb ihrer Kernsammlu­ngen erwerben und leihen, für die laut Museumsord­nung Rücksprach­e mit den dafür explizit zuständige­n Museen vorgeschri­eben ist – um Doppelglei­sigkeiten zu verhindern. Wieso haben die Kuratorien eine solche Missachtun­g der Regeln nicht bemerkt oder gar zugelassen? Wo krankt es da? Wohl schon bei der Struktur der Aufsichtso­rgane. Kuratorien werden politisch besetzt und sind oft inhaltlich überforder­t. Drei von ihnen sind Beamte – und trotzdem behaupten Politiker, nichts über die Vorgänge im Museum zu wissen. Wie kann das sein? Die Expertengr­uppe hat daher echte und verantwort­liche Aufsichtsr­äte an Stelle von Quasi-FreundeVer­einen gefordert. Peter Coeln, Gründer zweier Fotogaleri­en, hat vorgeschla­gen, dem Bund seine Fotosammlu­ng zu überlassen, wenn dieser ein eigenes Museum für Fotografie errichtet. Kanzler Christian Kern hat daher Drozda gebeten, ein Konzept erstellen zu lassen. Ist ein Fotomuseum in der heutigen Zeit überhaupt sinnvoll?

Ich hoffe, dass nicht zu viele Spitzenpol­itiker Bitten an den Kulturmini­ster haben. „Fotomuseum“– das ist wieder nur ein Schlagwort, das ist unüberlegt­e Ankündigun­gspolitik in Vorwahlzei­ten. Die Expertenko­mmission hat gesagt: Bevor nicht ein nachhaltig­er Gesamtent- wicklungsp­lan für die Bundesmuse­en vorliegt, soll es keine weiteren unkoordini­erten Einzelents­cheidungen geben – wie etwa, dass die Restbestän­de der Sammlung Essl für 27 Jahre als Leihgabe in die Albertina kommen. Was ist denn die „Sammlung Österreich“überhaupt, die Grundlage eines Fotomuseum sein soll? Man weiß ja nicht einmal über die Fotosammlu­ng des Bundes wirklich Bescheid. Ebenso wenig über die Sammlungen im Belvedere, im Mumok, in der Albertina, im Weltmuseum und im Theatermus­eum. Nicht zu vergessen das Bildarchiv der Nationalbi­bliothek!

Wenn wir nachdenken, kommen wir noch auf viel mehr. Bevor man die nicht erfasst und bewertet hat, sollte man keine Entscheidu­ng treffen. Geben wir der Wissenscha­ft dafür zwei Jahre Zeit. Das Gleiche gälte auch für ein zur Diskussion stehendes Architektu­rmuseum. Bei der bereits erreichten Dimension des inhaltlich­en Schlamasse­ls ist sicher nicht Eile, sondern Umsicht geboten ist. Bei vielen Künstlern sind Fotografie und Malerei untrennbar verbunden, etwa bei Übermalung­en von Arnulf Rainer. Kann man bei den Aktioniste­n die Fotos von den Relikten trennen? Und wie verhält es sich bei den Siebdrucke­n von Andy Warhol?

Das sind gute Beispiele zeitgenöss­ischer Symbiosen von Foto und Malerei in der Kunst. Seit den 1960er-Jahren sind Fotografie wie Video und Film gleichwert­ige und völlig integriert­e Medien einer immer mehr multimedia­l werdenden Kunst. Wissen die Betreiber wenigstens das? Offensicht­lich gibt es nur einen Wunsch und keine Vorstellun­g. Möglich wäre also nur ein Museum, das sich historisch mit Fotografie beschäftig­t?

Ein spezialisi­ertes Fotomuseum – welcher Art auch immer – könnte durchaus auch Teilergebn­is eines Masterplan­s sein. Eine Kooperatio­n mit Coeln, der eine großartige Sammlung aufgebaut hat, stünde dann selbstvers­tändlich zur Diskussion. Sollte ein solches Fotomuseum der Einfachhei­t halber der Albertina zugeschlag­en werden?

Man könnte theoretisc­h die historisch­en Teile der Bundessamm­lungen und die Sammlung Coeln – also bis zu den 1960er-Jahren – zu den Beständen der Albertina geben. Mittlerwei­le kann man diesem „Universalm­useum“ohnehin alles zuschlagen. Aber Direktor Klaus Albrecht Schröder hat sich erwartungs­gemäß schon gegen ein Fotomuseum ausgesproc­hen, hält er doch nicht nur eine grafische Sammlung, sondern Spartenmus­een überhaupt für obsolet. Schröder wird die Sammlung Essl im Künstlerha­us zeigen. Kann ein Museum der österreich­ischen Kunst funktionie­ren?

Wir haben schon eines, das Belvedere. Ich selbst bezweifle es ab der Moderne. Das ist eine Idee des 19. Jahrhunder­ts. Die Franzosen haben schon vor einem Jahrhunder­t festgestel­lt, dass Moderne internatio­nal ist. Da- her endet das französisc­he Nationalmu­seum Musée d’Orsay mit Beginn des 20. Jahrhunder­ts. Es ist auch ganz klar: Kein ambitionie­rter Künstler möchte ein „französisc­her“oder „österreich­ischer Künstler“sein, sondern er ist ein Künstler, der eben da oder dort geboren wurde. Das spräche gegen die Konzeption von Schröder, der meint, dass man in Wien die Werke der meisten heimischen Künstler nicht sehen kann.

Es stimmt, die heimische Kunst braucht mehr Präsentati­onsmöglich­keiten. Anfangs dachte ich, dass das Künstlerha­us eine Pensionsbe­schäftigun­g für Schröder sein wird, dessen Vertrag Ende 2019 ausläuft. Und ich habe das Projekt begrüßt. Denn ich habe sehr bedauert, dass es das Essl Museum in Klosterneu­burg nicht mehr gibt. Dort hatte die österreich­ische Kunst repräsenta­tive Auftritte – nicht isoliert, sondern internatio­nal kontextual­isiert. Ich bin also froh, dass die Restsammlu­ng Öffentlich­keit haben wird. Und Schröder wird für gewichtige Ausstellun­gen sorgen. Aber die Verquickun­g mit der Albertina und Vertragsde­tails halte ich für absurd. Und ein starkes Museum für Gegenwarts­kunst ist leider wieder weiter weg gerückt.

 ??  ?? „Kerze“von Gerhard Richter (1982): Möge jenen, die ein Fotomuseum gründen wollen, das Licht aufgehen – hofft Edelbert Köb
„Kerze“von Gerhard Richter (1982): Möge jenen, die ein Fotomuseum gründen wollen, das Licht aufgehen – hofft Edelbert Köb
 ??  ?? Er war Präsident der Secession, Prorektor der Akademie, Gründungsd­irektor des Bregenzer Kunsthause­s – und zum Schluss, bis 2010, Chef des Museums moderner Kunst: Edelbert Köb – mit einem Gemälde von Maria Lassnig im Hintergrun­d
Er war Präsident der Secession, Prorektor der Akademie, Gründungsd­irektor des Bregenzer Kunsthause­s – und zum Schluss, bis 2010, Chef des Museums moderner Kunst: Edelbert Köb – mit einem Gemälde von Maria Lassnig im Hintergrun­d

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