Stöger will weniger Selbstbehalte und gleiche Kassenleistung für alle
Gesundheitssystem. Studie sieht 700 Mio. Sparpotenzial. Rote Minister wollen vorerst ohne Kassen-Fusion sparen.
Seit Monaten wird sie sehnlichst erwartet, 630.000 Euro hat sie gekostet – und nun ist sie da: die Analyse des heimischen Gesundheitswesens durch die „London School of Economics“. Die Ergebnisse des rund 1400 Seiten dicken Papiers bergen einiges an Brisanz: So wird nebst Lob am „prinzipiell guten System“nicht mit Kritik an der heimischen Gesundheitskonstruktion mit 21 Krankenkassen gespart: „Wir mussten feststellen“, erklärt Studienautor Elias Mossialos, „dass das österreichische Gesundheitssystem aufgrund seiner vielschichtigen Verwaltungsstruktur komplex und fragmentiert ist“. Im Papier wird vorgerechnet, wie man zu Einsparungen von mindestens 700 Millionen Euro kommen kann – und nicht zuletzt werden für die seit Jahrzehnten diskutierte Frage der Zusammenlegung der Kassen vier Lösungsmodelle angeboten: Vom stark reformorientierten Modell eins mit vier statt 21 Kassen (nur noch ein Träger für Unfallund die Pensionsversicherung sowie ein Träger für alle Unselbstständigen und einer für Selbstständige) bis hin zum laut Autor „sanften“Modell vier – das nah an der derzeitigen Konstruktion liegt.
Wenig überraschend gefällt die „sanfte“Lösung Auftraggeber und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) am besten. Mit dieser will er im bestehenden System die Koordination der Kassen verbes
sern, um effizienter zu arbeiten. Ein Gesetz dafür will Stöger bald vorlegen. Das Modell Nummer vier sei für ihn allerdings nur ein „erster Schritt“, auch Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) sieht die Zahl der Kassen „nicht in Stein gemeißelt“.
Besonderen Gefallen finden Stöger und Rendi-Wagner am Studienansatz, laut dem erst die Leistungen harmonisiert werden müssen, bevor man Kassen fusioniert. Hintergrund: Leistungen sind trotz gleicher Beiträge von Land zu Land, von Kas- se zu Kasse unterschiedlich – dasselbe gilt für Arzthonorare. Stöger und Rendi-Wagner kündigten nun an, Leistungen nach oben zu harmonisieren. Finanzieren wollen sie dies etwa mit einer Einsparung von 120 Millionen Euro im Verwaltungsbereich. Eine weitere zentrale Studienforderung ist die Abschaffung der Selbstbehalte („Steuer für Kranke“) – die Stöger gerne aufgreift: Der Minister versprach, die Selbstbehalte zu reduzieren. Zudem schlug das Institut vor, finanzielle Anreize für Landärzte einzuführen, um die hierzulande viel zu stark frequentierten Spitäler zu entlasten.
Experte: „Furchtbar“
Das alles wird nicht billig. Allein die Angleichung der Leistungen auf ein einheitliches Niveau würde laut LSE mindestens 171 Millionen Euro pro Jahr kosten – „es wäre aber sicher noch teurer“, erklärt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Der Experte übt Kritik an Stöger: „Es ist furchtbar, dass diese kritische Studie verwendet wird, um das Positive herauszustreichen“. Auch Pichlbauer sieht langfristige Sparpotenziale – allein, er zweifelt aufgrund der Machtverhältnisse mit Ärztekammern und Kassen an einer Reform: „Die Leistungen harmonisieren will man seit 20 Jahren, getan hat sich wenig“. So oder so: Vor der Wahl wird sich wohl nicht mehr allzu viel tun.