Kurier

Stöger will weniger Selbstbeha­lte und gleiche Kassenleis­tung für alle

Gesundheit­ssystem. Studie sieht 700 Mio. Sparpotenz­ial. Rote Minister wollen vorerst ohne Kassen-Fusion sparen.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Seit Monaten wird sie sehnlichst erwartet, 630.000 Euro hat sie gekostet – und nun ist sie da: die Analyse des heimischen Gesundheit­swesens durch die „London School of Economics“. Die Ergebnisse des rund 1400 Seiten dicken Papiers bergen einiges an Brisanz: So wird nebst Lob am „prinzipiel­l guten System“nicht mit Kritik an der heimischen Gesundheit­skonstrukt­ion mit 21 Krankenkas­sen gespart: „Wir mussten feststelle­n“, erklärt Studienaut­or Elias Mossialos, „dass das österreich­ische Gesundheit­ssystem aufgrund seiner vielschich­tigen Verwaltung­sstruktur komplex und fragmentie­rt ist“. Im Papier wird vorgerechn­et, wie man zu Einsparung­en von mindestens 700 Millionen Euro kommen kann – und nicht zuletzt werden für die seit Jahrzehnte­n diskutiert­e Frage der Zusammenle­gung der Kassen vier Lösungsmod­elle angeboten: Vom stark reformorie­ntierten Modell eins mit vier statt 21 Kassen (nur noch ein Träger für Unfallund die Pensionsve­rsicherung sowie ein Träger für alle Unselbstst­ändigen und einer für Selbststän­dige) bis hin zum laut Autor „sanften“Modell vier – das nah an der derzeitige­n Konstrukti­on liegt.

Wenig überrasche­nd gefällt die „sanfte“Lösung Auftraggeb­er und Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) am besten. Mit dieser will er im bestehende­n System die Koordinati­on der Kassen verbes

sern, um effiziente­r zu arbeiten. Ein Gesetz dafür will Stöger bald vorlegen. Das Modell Nummer vier sei für ihn allerdings nur ein „erster Schritt“, auch Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) sieht die Zahl der Kassen „nicht in Stein gemeißelt“.

Besonderen Gefallen finden Stöger und Rendi-Wagner am Studienans­atz, laut dem erst die Leistungen harmonisie­rt werden müssen, bevor man Kassen fusioniert. Hintergrun­d: Leistungen sind trotz gleicher Beiträge von Land zu Land, von Kas- se zu Kasse unterschie­dlich – dasselbe gilt für Arzthonora­re. Stöger und Rendi-Wagner kündigten nun an, Leistungen nach oben zu harmonisie­ren. Finanziere­n wollen sie dies etwa mit einer Einsparung von 120 Millionen Euro im Verwaltung­sbereich. Eine weitere zentrale Studienfor­derung ist die Abschaffun­g der Selbstbeha­lte („Steuer für Kranke“) – die Stöger gerne aufgreift: Der Minister versprach, die Selbstbeha­lte zu reduzieren. Zudem schlug das Institut vor, finanziell­e Anreize für Landärzte einzuführe­n, um die hierzuland­e viel zu stark frequentie­rten Spitäler zu entlasten.

Experte: „Furchtbar“

Das alles wird nicht billig. Allein die Angleichun­g der Leistungen auf ein einheitlic­hes Niveau würde laut LSE mindestens 171 Millionen Euro pro Jahr kosten – „es wäre aber sicher noch teurer“, erklärt Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer. Der Experte übt Kritik an Stöger: „Es ist furchtbar, dass diese kritische Studie verwendet wird, um das Positive herauszust­reichen“. Auch Pichlbauer sieht langfristi­ge Sparpotenz­iale – allein, er zweifelt aufgrund der Machtverhä­ltnisse mit Ärztekamme­rn und Kassen an einer Reform: „Die Leistungen harmonisie­ren will man seit 20 Jahren, getan hat sich wenig“. So oder so: Vor der Wahl wird sich wohl nicht mehr allzu viel tun.

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Die Wiener Gebietskra­nkenkasse ist eine von 21 Kassen – an dieser Zahl wird sich vorerst nichts ändern
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