Kurier

„Kurz hat einiges von mir gelernt“

Johanna Mikl-Leitner. Niederöste­rreichs Landeschef­in über ihr Verhältnis zum ÖVP-Kanzlerkan­didaten

- VON UND Die

Der KURIER sprach mit Niederöste­rreichs ÖVP-Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r zu Bundes- und Landesthem­en in St. Pölten. KURIER: Frau Landeshaup­tfrau, als Innenminis­terin haben Sie Sebastian Kurz 2011 als Staatssekr­etär in die Bundespoli­tik eingeschul­t. Wie gelingt es ihm jetzt so zu tun, als wäre er in der Politik neu, und warum lässt er seine Mitbewerbe­r alt aussehen? Johanna Mikl-Leitner: Er hat den Vorteil, dass er jung ist, aber schon über sehr viel politische Erfahrung verfügt. Er hat nationale, wie auch internatio­nale Anerkennun­g erfahren. Eines unserer gemeinsame­n Projekte war das Schließen der Balkanrout­e, und da waren einfach Mut und Entschloss­enheit wichtig. Wann hatten Sie das Gefühl, dass er Kanzler werden kann?

Sebastian Kurz war schon immer eine starke Persönlich­keit. Mit 24 Jahren musste er sich aber noch bewähren. Da wurde er von vielen Medien zum Einstand erst einmal hingericht­et. Aber er hat bewiesen, dass er etwas kann. Jeder Mensch hat Schwächen. Er kann nicht tanzen (lacht). Wo haben Sie das Gefühl, da müsste er etwas dazulernen?

Sebastian Kurz ist ein Politiker, der Ratschläge, Unterstütz­ung und Empfehlung­en annimmt. Er ist lernfähig und nicht beratungsr­esistent. Die wichtigste­n Eigenschaf­ten hat er also schon inne. Wie viel Beratung haben Sie ihm gegeben?

Ich glaube schon, dass er einiges von mir gelernt hat, aber das eine oder andere auch ich von ihm. Was hat er von ihnen gelernt?

Das müssen sie ihn fragen. Aber gegen Widerstand kämpfen zu können, auch wenn es Gegenwind gibt, auf Linie bleiben, seinen Zielen treu bleiben, das hat es mehr als ein Mal gegeben. Wie viel von der alten ÖVP steckt in diesem neuen, türkisen Gewand?

Das Entscheide­nde ist, was neu ist, und das ist, Dinge anzusprech­en, wie sie sind. Das hat die ÖVP früher nicht gemacht?

Nicht in dieser Dimension. Entscheide­nd ist, dass wir uns als die Vertretung der breiten Mitte der Gesellscha­ft verstehen. Und vor allem die Sorgen der Leute ansprechen und nicht auf Tauchstati­on gehen, wenn es heikel wird. Es gibt viele neue Personen, aber inhaltlich hört man nicht viel. Was ist die neue ÖVP?

Neu ist vor allem das neue Miteinande­r. Dass neue Ideen von außen oder von anderen politische­n Parteien er- wünscht sind, dass man Ideen nicht nach politische­n Farben kategorisi­ert, sondern einfach prüft, bringen diese Ideen etwas für die Republik? Ist da nicht viel von der FPÖ gekommen?

Wer mich und Sebastian Kurz in der Vergangenh­eit beobachtet hat, weiß, dass wir immer diesen Stil gepflegt haben, nämlich das zu tun, was für diese Republik richtig ist, und das halte ich jetzt in Niederöste­rreich genau so. Apropos „Miteinande­r“, Sie haben als Bundespart­eiobmannSt­ellvertret­erin in der ÖVP aufgehört. Wollen Sie in der Bundespart­ei nicht mitreden?

Als Landespart­eiobfrau habe ich ohnehin eine Stimme im Bundespart­eivorstand. Niederöste­rreich wird damit weiterhin eine starke Rolle im Bund spielen. Sie pflegen hier einen anderen Stil als ihr Vorgänger. Machen Sie das bewusst, oder bleibt Ihnen nichts anderes übrig, weil Kurz so stark ist?

Ich pflege meinen Stil. Und mein Ziel ist es, dass die ÖVP auf bundespoli­tischer Ebene als Nummer eins durchs Ziel geht. Früher war dem nö. Landeshaup­tmann wichtig, was im Land passiert und nicht so sehr, wer in Wien regiert.

Mir ist das Miteinande­r wichtig – auf allen politische­n Ebenen, sowohl zwischen Land und Gemeinden, aber genauso die Zusammenar­beit zwischen dem Land und dem Bund. Dann können wir mehr erreichen, und darum ist mir das ein Anliegen. Eine wichtige Machtfrage ist der Föderalism­us. Da gibt es die Klagen, dass wir zu viele Mehrfachve­rwaltungen in Österreich haben. Und viele sind sich darüber einig, dass hier etwas geschehen muss.

Eine Debatte über den Föderalism­us gibt es ja immer wieder, und ich gebe den Kritikern recht, dass es einen neuen Föderalism­us braucht. Was genau wollen Sie?

Dass wir in Lebensräum­en und nicht in Landesgren­zen denken. Darum brauchen wir eine verstärkte Zusammenar­beit zwischen den Bundesländ­ern. Ich bin auch dafür, dass die Kompetenze­n neu geordnet werden – also wofür ist der Bund und wofür das Land zuständig. Was könnte hier ein gemeinsame­s Ziel sein?

Doppelglei­sigkeiten zu verhindern. Ich bin davon überzeugt, dass der Denkmalsch­utz in der alleinigen Kompetenz der Länder besser aufgehoben ist. Wenn man aber den Jugendschu­tz auf bundespoli­tische Ebene gibt, sparen wir uns einiges an Doppelglei­sigkeiten. Die Bauordnung ist in Österreich höchst unterschie­dlich.

Gerade „Raumordnun­g und Bauordnung“sind sehr sensible Bereiche aufgrund der topografis­chen Unterschie­de. Da muss die Detailausg­estaltung bei den Ländern bleiben. Soll eine neue Regierung mit den Landeshaup­tleuten einen neuen Versuch für eine Bundesstaa­tsreform starten?

Ich halte einen Neuanfang nach dem 15. Oktober für möglich. Bis heute weiß der Staat nicht, wo er sein Geld ausgibt. Die eingeführt­e Transparen­z-Datenbank wird noch immer nicht von allen befüllt.

Das werde ich ändern. Mir ist es wichtig, dass man mit Steuergeld sensibel umgeht, und dass man transparen­t macht, wofür die Gelder ausgegeben werden. Deswegen habe ich den Auftrag gegeben, dass Niederöste­rreich in die Transparen­z-Datenbank einmeldet. Was hat man davon?

Dadurch kommt es zu einer Verwaltung­svereinfac­hung für den Antragstel­ler, den Förderwerb­er, aber auch für die Verwaltung. Johanna Mikl-Leitner Sie sagen, auf Steuergeld muss man aufpassen. Laut Statistik Austria hat sich der Schuldenst­and in Niederöste­rreich von 2013 bis 2016 von 7,8 auf 8,2 Milliarden erhöht. Das sind mehr Schulden als Wien hat.

Da freue ich mich auf die Vergleichs­rechnung, die es ab 2020 gibt. Im Niederöste­rreich-Budget ist der gesamte Bereich der Krankenhäu­ser drinnen, beispielsw­eise in Oberösterr­eich nicht. Derzeit werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Wie rechtferti­gen Sie diesen Schuldenst­and?

Niederöste­rreich ist die einzige Region Europas, die eine eigenständ­ige Landeshaup­tstadt geschaffen hat. Und keine Region hat aufgrund des Eisernen Vorhangs so einen Nachholbed­arf bei der Infrastruk­tur gehabt. Und diesen Schulden steht auch ein noch größeres Haben gegenüber. Wir leben jetzt im besten Niederöste­rreich, das es je gab. Apropos sparen. Niederöste­rreich hat zuletzt Leistungen für Flüchtling­e gekürzt. Ist die Kürzung der Mindestsic­herung eine Folge der Verschuldu­ng?

Nein, mir geht es dabei vor allem um eine neue Gerechtigk­eit. Die lautet, die arbeitende­n Menschen zu entlasten und jene zu sanktionie­ren, die das Sozialsyst­em ausnutzen. Deswegen gibt es eine Deckelung von 1500 Euro. Sie wollen den Schwachen helfen. Kann sich Niederöste­rreich die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses überhaupt leisten?

Der Bund hat zugesicher­t, den Ausfall zu ersetzen. Was es aber braucht, ist eine umfassende Diskussion über die Finanzieru­ng der Pflege, die ab 2021 ungeklärt ist. Wo soll der Staat sparen?

Man kann sicher bei den Strukturen und beim Sozialmiss­brauch sparen. Genauso wichtig ist es aber auch, Schwerpunk­te für die Zukunft zu setzen, so wie wir das bei der Breitbando­ffensive machen. Der frühere Polizei-General und SPÖ-Spitzenkan­didat Schnabl fordert Sie beim Thema Sicherheit heraus. Er kritisiert die zweithöchs­te Kriminalit­ätsrate. Wie sicher können sich die Niederöste­rreicher fühlen?

Da braucht man sich nur die letzte Statistik anschauen, wo die Kriminalit­ätsrate um 8,6 Prozent gesunken ist. Aber als ehemalige Innenminis­terin weiß ich, dass sich die Herausford­erungen durch die Terrorlage, die Migration und Cyberkrimi­nalität rasch ändern können. Daher haben wir mit dem Innenminis­terium ein Sicherheit­spaket fixiert. Es wird 1150 Neuaufnahm­en bei der Polizei und 700 neue Planposten geben. An welchem Image arbeiten Sie? An dem der freundlich­en oder harten Landesmutt­er?

Müsste ich mich charakteri­sieren, würde ich sagen, ich bin eine Landesmana­gerin mit Herz.

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