Weibliche Vorbilder braucht die Rockmusik
Girls Rock Camp. Nach einer Woche Band-Luft schnuppern geben die Teilnehmerinnen ein Konzert
16 Mädchen, ein Haus. Das ist auch schon alles, was das Girls Rock Camp mit einer Castingshow gemein hat – denn die Teilnehmerinnen sollen nicht gegeneinander antreten, sondern gemeinsam Dinge ausprobieren, die sie sich vielleicht nicht zugetraut hätten: Schlagzeug spielen zum Beispiel.
Ab Sonntag findet das 7. Girls Rock Camp in Hollabrunn in Niederösterreich statt. Eine Woche lang können sich Mädchen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren in Tanzworkshops, Band-Coachings und Instrumentenkursen austoben. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, am Ende stehen sie aber alle beim Abschlusskonzert auf der Bühne und präsentieren einen selbst geschriebenen Song. „Dieses Ziel wurde noch jedes Jahr übertroffen“, erzählt Elise Mory, Mitorganisatorin und Coach. Die Keyboarderin spielt selbst in Bands wie Gustav, möström und Nitro Mahalia.
Musik als Werkzeug
Die Idee der Girls Rock Camps stammt aus den USA und hat mittlerweile Ableger auf der ganzen Welt. In Österreich wird die Projektwoche von pink noise veranstaltet, dem Verein zur Förderung feministisch popkultureller Aktivitäten. Die Musik steht zwar im Vordergrund, ist aber gleichzeitig Mittel zum Zweck: „Sie ist ein Tool, um Empowerment zu erreichen. Es geht weniger darum, dass wir den Mädchen beibringen, wie man richtig spielt, sondern wir unterstützen sie eher dabei, ihre eigene Kreativität zu entdecken.“Von dieser Erfahrung profitieren die Mädchen auch in anderen Lebensbereichen: „Ich kenne Mädchen, die nach dem Camp nichts mit Musik machen, aber erzählen, sie trauen sich seitdem einfach, Dinge auszuprobieren – ohne sofort zu sagen: Nein, das kann ich eh nicht.“
Genau diese Einstellung sei auch im Musikbusiness gefragt: Dass Frauen im Instrumentensektor in der Popularmusik noch immer stark unterrepräsentiert sind, liege laut Mory nämlich vor allem daran, dass sich viele zu wenig zutrauen. „Au- ßerdem gibt es kaum Vorbilder“, so die Musikerin. „Wenn ich mich mit niemandem identifizieren kann, wenn ich immer nur Männer sehe auf der Bühne, die Gitarren spielen, dann ist es schwerer vorstellbar, dass ich das mache.“Daher coachen beim Girls Rock Camp ausschließlich Frauen, die selbst aktiv im Musikbusiness tätig sind.
Laute Mädchen
Auch die Sozialisation spiele eine große Rolle: „Es hat viel damit zu tun, was sich für Mädchen und Burschen gehört. Laut zu sein, aus der Reihe zu tanzen, der Norm nicht zu entsprechen ist bei Mädchen noch immer anders konnotiert als bei Burschen.“Spätestens beim Abschlusskonzert sind diese Hürden aber überwunden – und auch die Eltern sind begeistert, wenn sie die Mädchen auf der Bühne sehen: „Viele sagen nachher, sie hätten ihre Töchter noch nie so erlebt. Die Väter finden das auch total super, dass die Mädchen so aus sich herauswachsen und vielleicht auch ihre eigenen Rock-’n’-Roll-Fantasien ausleben, die sie selbst nie umgesetzt haben.“
Mittlerweile sind die Teilnehmerinnen der ersten Jahrgänge auch selbst als Coaches am Camp tätig und helfen bei der Organisation. Aus fast jedem Jahr ist eine Band übrig geblieben, die bis heute aktiv ist – unter anderem Aivery, La Sabotage und Schapka, die im Moment alle an CDs arbeiten.
Für die Veranstalterinnen immer wieder spannend ist die Wahl der Genres, die die Teilnehmerinnen treffen: „R’n’B und Black Music sind bei jungen Mädchen ziemlich wichtig geworden. Wir hatten aber auch schon Mundart-Rap.“Nachdem im vergangenen Jahr pausiert wurde, könnte es heuer durchaus Überraschungen geben: „Voodoo Jürgens war beim letzten Camp zum Beispiel noch nicht groß, aber ich bin gespannt, ob er Einfluss hat.“
Die Auflösung gibt’s am 2. September ab 17 Uhr im Alten Schlachthof Hollabrunn. Infos zum Camp 2018 werden auf der Homepage bekannt gegeben.