„Noch nie so große Angst gehabt“
USA. Wirbelsturm „Harvey“wütete in Texas und dürfte noch bis Mittwoch zu schweren Überflutungen führen
James Cook war gerade auf dem Weg nach Corpus Christi, als Hurrikan „Harvey“in der Nacht auf Samstag mit Spitzengeschwindigkeiten von 230 km/h auf die texanische Küste prallte. „Einmal wurde unser Auto vom Wind über mehrere Fahrspuren hinweg verschoben“, berichtet der BBC- Mitarbeiter.
Wie Cook erlebten Hunderttausende Texaner die Ankunft des schlimmsten Wirbelsturms seit Hurrikan „Katrina“vor 12 Jahren hautnah mit – verbarrikadiert in Häusern, Hotels oder Schulen. „Stundenlang hörte es sich an, als würde ein Zug vorbeidonnern“, erzählte eine Familie aus Rockport, der am stärksten betroffenen Stadt. Eine Frau, deren Haus einstürzte, sagte, sie habe noch nie so große Angst gehabt, als in dem Moment, als sie den Sturm aufziehen hörte.
Todesopfer befürchtet
Das tatsächliche Ausmaß der Verwüstungen zeigte sich erst bei Tagesanbruch. In Rockport wurden zahlreiche Gebäude schwer beschädigt, die als Zufluchtsorte vorgesehen waren. Rettungsteams gingen von Haus zu Haus, um nach Opfern oder Hilfe- bedürftigen zu suchen. Mehr als die Hälfte der 10.000 Einwohner war Behördenangaben zufolge einem Aufruf zur Evakuierung nicht gefolgt, es seien Tote zu befürchten.
Auf dem Höhepunkt des Sturms seien Dutzende Anrufe von Menschen bei der Polizei eingegangen, die von einstürzenden Dächern und Wänden berichtet hätten und teils in Duschen Schutz ge- sucht hätten. In vielen Fällen sei es nicht möglich gewesen, ihnen zu Hilfe zu kommen.
Auch in anderen Gebieten hatten sich viele Menschen entschlossen, ihr Zuhause trotz Warnungen nicht zu verlassen. Auch dort wurden Todesopfer befürchtet.
Von „Harveys“Auswirkungen sind in ganz Texas potenziell 16 der 28 Millionen Einwohner betroffen, eben- so die Erdölindustrie. Gouverneur Greg Abbott erwartet mehrere Milliarden Dollar Schaden. Präsident Donald Trump, der mit der ersten Naturkatastrophe seiner Amtszeit konfrontiert ist, rief den Notstand aus.
„Den Enkeln erzählen“
Zwar hat sich „Harvey“mittlerweile deutlich abgeschwächt und wurde vom Nationalen Hurrikanzentrum von einem Wirbelsturm der Stufe 4 auf Stufe 1 herabgesetzt. Gefahr besteht aber weiter. Meteorologen erwarten, dass „Harvey“noch bis Mittwoch über Texas ziehen wird, begleitet von Starkregen, meterhohen Springfluten und Überschwemmungen. Er könnte auch erneut auf offenes Wasser abdrehen und dadurch an Stärke gewinnen.
„Schmale Bäche könnten zu reißenden Flüssen wer- den, Flutkontrollsysteme und Deiche überfordert sein“, warnt der Nationale Wetterdienst – was Erinnerungen an Hurrikan „Katrina“wachruft, der 2005 New Orleans und Umgebung verwüstet und 1800 Menschen das Leben gekostet hatte. Ein Wissenschaftler meint dazu: „Einige Ort werden so viel Wasser abbekommen, dass die Menschen noch den Enkelkindern davon erzählen werden.“