Ein falscher Tritt führt in den Tod
Unterschätzte Gefahr. Die meisten Bergtoten gibt es beim Wandern. Häufigste Ursache: Ausrutschen und Stolpern
Der Weg führt an einer Felswand vorbei und fällt steil ab. Der Untergrund aus Erde, zum Teil losen Steinen und Gras ist rutschig. Ein im Berg verankertes Stahlseil bietet zwischendurch Halt. Wer nicht mit einem Klettersteigset unterwegs ist und sich nicht an der Sicherung einhängen kann, muss sich auf die Kraft seiner Hände und einen sicheren Tritt verlassen. „Wenn du hier runterfällst, bist du mausetot“, sagt Peter Veider, Geschäftsführer der Tiroler Bergrettung und blickt rund 70 Meter in die Tiefe.
Der Steig, auf dem er steht, ist Teil der „Alpine Safety Area“(ASA) oberhalb von Gschnitz in einem Seitenarm des Wipptals. Es ist ein Übungsgelände – das erste seiner Art in den Alpen – in dem Besucher das richtige Bergwandern lernen sollen. Der Steig, über den Veider gerade führt, ist ein Bergweg der „schwarzen“Kategorie – also ein schwieriger Weg, der nur für schwindelfreie, trittsichere, konditionsstarke und alpin erfahrene Wanderer geeignet ist.
Doch Passagen wie diese sind auch auf bei der breiten Masse beliebten Touren keine Seltenheit. „Auf dem Stubaier Höhenweg ziehen Karawanen über solche Wege“, nennt Veider ein Beispiel aus einem anderen Tiroler Tal. Die ASA ist sein Baby. Hier soll den Leuten vor Augen geführt werden, was für Schwierigkeiten beim weithin als harmlos geltenden Wandern in den Bergen auf sie warten können. Die Gefahren sind echt. Das Gelände ist kein Abenteuerspielplatz, sondern mit der gebotenen Vorsicht zu genießen.
Bereits 45 Tote
Wie angebracht diese ist, zeigen aktuelle Zahlen, die einen langjährigen Trend bestätigen. Im heurigen Bergsommer sind in Österreich bis zum Stichtag 17. August bereits 45 Menschen bei diesem wieder populären Sport ums Leben gekommen. Häufigste Todesursache laut Kuratorium für Alpine Sicherheit: „Stürzen, Stolpern, Ausgleiten“. 16 Menschen hat heuer bereits ein falscher Tritt das Leben gekostet. Bei keinem anderen Bergsport sterben annähernd so viele Menschen wie beim Wandern.
Die „Alpine Safety Area“ist im Prinzip eine „Gehschule“. Bereits kurz nach dem Start wird Besuchern näher gebracht, dass auch „rote“– also mittelschwierige – Bergwege Trittsicherheit erfordern. Der Weg führt durch den Wald steil nach oben und immer wieder über loses Gestein. „Auch auf roten Bergwegen kann man abstürzen“, stellt Veider klar.
444 von 560 Wanderern, die sich im heurigen Sommer verletzt haben, sind Sturz- und Stolperopfer. „Es ist erschreckend, wie viele Leute nicht richtig gehen können. Die sind oft unsicher wie ein junges Kalb, dass das erste Mal aus demStall kommt“, sagt Veider.
Im Übungsgelände, das in Eigenregie genutzt werden kann, bekommen die Besucher Tipps, wie man richtig bergauf und bergab geht. „Es kann sich ja auch niemand einfach auf Ski stellen und los fahren“, erklärt der 62Jährige die Notwendigkeit, auch das Wandern zu erler- Aktuelles in Zahlen
gab es heuer bis zum 17. August bereits beim Wandern in Österreichs Bergen. 16 Menschen starben nach einem Stolperer oder Sturz. Die meisten Wanderunfälle passierten in Tirol, wo 19 Wanderer starben
hat die Alpinpolizei in diesem Zeitraum registriert. In 475 Fällen waren Stürze die Ursache. Die waren auch bei 444 der insgesamt 560 Verletzten mit im Spiel. nen. Auf Tafeln werden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Wegekategorien erklärt.
Und auch auf einen Trend der vergangenen Jahre wird in dem Areal eingegangen – den Boom der Klettersteige. Kurze Testrouten in verschiedenen Schwierigkeitsgraden zeigen den Nutzern je nach Können schnell die eigenen Grenzen auf, bevor man sie auf unangenehme Art und Weise in einem richtigen Klettersteig erfahren muss.