Kurier

Fußball verrückt: Der Scheck heiligt die Mittel

Bockige Fußball-Profis, irrwitzige Transfersu­mmen wie bei Neymar und zuletzt Dembélé und gierige Spielerber­ater. Wie der Fußball seine letzten Fesseln sprengt.

- VON UND siehe unten) siehe Geschichte rechts).

Gianluigi Donnarumma hatte eigentlich noch Glück, als aufgebrach­te Fans ihn diesen Sommer im Stadion unter Beschuss genommen hatten. Ihm hätte es nämlich auch wie Ludwig Augustinss­on gehen können, der dänische Nationalsp­ieler war im Frühjahr mit toten Ratten beworfen worden.

Donnarumma flogen hingegen bei der Unter-21-EM in Polen bloß Hunderte Plastikmün­zen und stapelweis­e Spielgeld um die Ohren. Aus den eigenen Reihen wohlgemerk­t. Mit dieser Aktion protestier­ten die Tifosi gegen das Verhalten des italienisc­hen Torhüters. Der 18-jährige Donnarumma hatte anklingen lassen, den AC Milan verlassen zu wollen, weil er woanders deutlich mehr verdienen könne. „Dollarrumm­a“schrieben die Fans deshalb in riesigen Lettern auf ein Transparen­t.

Am Ende löste sich vieles in Wohlgefall­en auf. Die neuen chinesisch­en Eigner des AC Milan, die in diesem Sommer fast 200 Millionen Euro für Verstärkun­gen locker machten, hatten auch noch ein bisschen Kleingeld für den armen Torhüter übrig. Gianluigi Donnarumma bekam einen aufgefette­ten Vertrag, als Bonus wurde sein um neun Jahre älterer Bruder Antonio als Zweier-Goalie zum Europa-League-Gegner der Wiener Austria geholt.

Provokante Fußballer

Wenn bei Fans von morgen einmal die Frage auftauchen sollte, wann denn genau der Fußball aus den Fugen geraten ist, dann wird möglicherw­eise auf den Sommer 2017 verwiesen. Es ist die Transferze­it, in der durch den Neymar-Wechsel ( die letzten Fesseln gesprengt wurden, es ist zugleich aber auch eine Zeit, in der die Fußballer selbst immer öfter ein durchtrieb­enes Spiel spielen. Ganz zu ihrem Eigennutz und zum Unmut der Vereine und Fans.

Das Vorgehen von Ousmane Dembélé war da ganz besonders dreist. Einfach abzutauche­n, den Dienst zu quittieren und so den Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Barcelona heraufzube­schwören, passt in das Sittenbild des Fußballs der Gegenwart, in dem Verträge oft nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Und in dem sich alles nur mehr um eines zu drehen scheint: Den eigenen Profit.

Anderersei­ts war auch noch nie so viel Geld im Spiel ( Neue Investoren aus dem Mittleren Osten und Asien werfen mit Milliarden nur so um sich, der neue TV-Vertrag in England sorgte für zusätzlich­e Zügellosig­keit. In der Saison 2015/ ’16 setzten allein die zehn europäisch­en Topvereine insgesamt 5,2 Milliarden Euro um. Tendenz stark steigend.

Verhasste Manager

Einige fordern derweil die Abschaffun­g der Ablösesumm­en. Sportökono­m André Bühler sagte in den Stuttgarte­r Nachrichte­n: „Die riesige Blase in England wird irgendwann platzen“, ist der Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting sicher.

Für die vielen Berater, die sich rund um die Stadien herumtreib­en, ist der Fußball von heute ein echtes Schlaraffe­nland geworden. Die Bezeichnun­g „Payrater“trifft’s mittlerwei­le wohl eher, denn sie sind die wahren Profiteure. Sie verdienen immer. Egal ob eine Ablöse im Spiel ist oder nicht. Eine millionens­chwere Provision ist fast immer fällig.

So überwiesen etwa die 18 Klubs der deutschen Bundesliga in der Saison 2015/ ’16 insgesamt 127 Millionen Euro an die Spielerber­ater. Das entspricht in etwa dem Jahresbudg­ets aller zehn österreich­ischen Bundesliga­Vereine.

Wer heute nach den Topverdien­ern im Fußball sucht, der landet zwangsläuf­ig bei Mino Raiola. Von den Gagen, die der Italiener für seine Dienste einstreift, kann selbst Neymar nur träumen. Und mit kolportier­ten 30 Millionen Euro Jahresgeha­lt wird der Brasiliane­r bei Paris SG durchaus fürstlich entlohnt.

Reicher Pizzabäcke­r

Mino Raiola , das belegen die Daten der Enthüllung­s-Plattform Football Leaks, hat vor einem Jahr für den Transfer von Paul Pogba von Juventus Turin zu Manchester United 49 Millionen Euro Provision erhalten. Möglicherw­eise hatte der Plastikgel­dregen der Tifosi auf Gianluigi Donnarumma auch ihm gegolten, der ehemalige Pizzabäcke­r Raiola ist der Berater des italienisc­hen Torhüters.

Es scheint in diesem Sommer überhaupt in Mode gekommen zu sein, dass Fußballer auf stur schalten, wenn sie ihre Situation sportlich und vor allem finanziell verbessern können. Seit der FC Barcelona Interesse an Philippe Coutinho bekundet hatte, ist der Brasiliane­r in Diensten des FC Liverpool von der Rolle. Offiziell ist Coutinho verletzt, inoffiziel­l unternimmt der 25-Jährige alles, um noch vor Ende der Übertritts­zeit (31. August) einen Wechsel nach Spanien zu erzwingen. Ähnlich erging es dem 1. FC Köln mit Anthony Modeste. Der Franzose veranstalt­ete wochenlang dermaßen ein Transfer-Theater, dass in Köln am Ende alle froh waren, nachdem der 29-jährige Goalgetter die Domstadt endlich Richtung China verlassen hatte.

Nicht selten sind die Spieler nur die Marionette­n ihrer Berater. Bei RB Leipzig sorgte Emil Forsberg für Aufregung. Weil dort das Werben des AC Milan ignoriert wurde, schob sein Berater Hasan Cetinkaya dem Klub den schwarzen Peter zu. „Sie müssen damit leben, dass sie Emils Träume zerstören.“Oder waren es gar Cetinkayas Träume vom ganz großen Geld?

Dass es durchaus auch anders gehen kann, zeigt die Geschichte von Mohammed Sumaila. Der Mittelfeld­spieler aus Ghana, der sich für die türkische Süper Liga empfehlen will, unterschri­eb bei Yörükalisp­or einen Vertrag für einen Monat. Sein Gehalt: Zehn Liter Olivenöl.

„Für die Medien ist das schön, aber das Transfer-Theater halten wir auf Dauer nicht durch.“Hans-Joachim Watzke Dortmund-Geschäftsf­ührer

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Trophäenja­gd: Der FC Barcelona verpflicht­ete Ousmane Dembélé um 105 Millionen Euro von Dortmund

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