Krokodil trifft Leopardin Skandinavien.
Eine lange, heiße Nacht auf der Partyfähre von Stockholm nach Helsinki
Es ist kurz vor Mitternacht und aus der engen Kabine klingen Gelächter und Gläserklirren. Ein junger Mann in Krokodil-Kostüm ruft einer Blondine in Leopardenrock und Kriegsbemalung etwas auf Finnisch zu.
Das alles ist für das Kreuzfahrtschiff, das jede Nacht zwischen Stockholm und Helsinki verkehrt, nicht ungewöhnlich: Es wird zu einem großen Teil von auffällig herausstaffierten Studenten bevölkert, die im Rudel auftreten und sich nach einem gemeinsamen Motto verkleiden. In diesem Fall folgen sie dem Ruf des Dschungels – und vor allem dem des Duty-FreeShops auf Deck eins. Alternativ zu der Gruppenkostümierung dienen Overalls zur Identifikation. Die Farbe des „Haalarit“verrät die Ausbildung: Mediziner tragen weiß, rosa steht für andere Naturwissenschaften.
Tatsächlich ist die Tour auf dem Partydampfer fester Bestandteil des finnischen und auch schwedischen Reifeprozesses. Im ausladenden DutyFree-Shop decken sich die Spezialisten für das „Vorglühen“ein, sobald internationales Gewässer erreicht ist. Schweden und Finnen, die aufgrund des jeweils staatlichen Alkohol-Monopols für Bier und Wein sehr tief in die Tasche greifen müssen, schaffen sich auch gerne einen hochprozentigen Vorrat für zu Hause an.
Täglich Wochenende
Gegen ein Uhr morgens ist kaum noch Platz auf der Tanzfläche und auch das Dschungelteam ist voll in Fahrt. Doch trotz starker Gruppendynamik zeigen sich die nordischen Partytiere unter der Diskokugel äußerst kontaktfreudig gegenüber mitteleuropäischen Mittänzern. So kann man sich durchaus um vier Uhr morgens inmitten einer internationalen Kabinenparty wiederfinden. Kurios: Das Tanzdeck trotzt dem Prinzip der Wochentage völlig. Egal ob Montag oder Freitag – hier herrscht immer Wochenendstimmung.
Folgerichtig ist auch jedes Frühstück ein Katerfrühstück. Morgens kehren die Finnen wieder zu ihrem distanzierten Selbst zurück und verdrücken sich möglichst unentdeckt von Bord. Das Motto: Je wilder die Nacht, desto stiller der Landgang. Alle Passagiere, die am selben Tag wieder zurück nach Stockholm einschiffen, erwarten sieben Stunden in Helsinki, die sie beliebig gestalten können. Ob regenerativer Spazier- gang, Shopping-Tour oder Museumsbesuch – die finnische Hauptstadt hat viel zu bieten.
Finnisches Picknick
Dem Menschenstrom entlang des Hafens folgend, erreicht man das Zentrum in einer Viertelstunde. Dort wird man von der Esplanade mit Park empfangen, wo die Einheimischen im Sommer picknicken. Wer sich dazugesellen möchte, kann sich in der Markthalle mit finnischen Leckereien eindecken. Karelische Piroggen
die mit Milchreis, Karotten, Fleisch oder Kartoffeln gefüllten Teigtaschen, sind der Nationalsnack, den man unbedingt probieren sollte.
So ist man gestärkt für einen Bummel über die Alexanderstraße, Helsinkis wichtigste Shopping-Meile. Sie beginnt am Senatorenplatz mit dem finnischen Dom, der auf einer monumentalen Treppe thront und eine gute Aussicht über die Stadt bietet. Hier kann man vorbeugend um Gnade für den kommenden Kaufrausch bitten, denn die Strecke zwischen dem Denkmal für Alexander den Großen, der Helsinki vor 200 Jahren zur Hauptstadt erklärte, und dem edlen Traditionshaus Stockmann ist gesäumt von finnischer Kreativität und den schlichten Designs skandinavischer Modeschöpfer.
Zurück an Bord
Nach dem Tag in der Hauptstadt verlässt das Partyschiff den Hafen gegen fünf Uhr abends. „Serenade“und “Symphony“heißen die beiden Schiffe, die sich auf der Route zwischen den Städten ablösen und unterschiedlich ausgestattet sind. Die frisch renovierte „Serenade“lädt in ihrem Spa und dem Pool mit Aussicht zur Tiefenentspannung ein. Ob zweite Partynacht oder gemütlicher Drink an Deck, um die Mitternachtssonne zu bewundern – die Nacht ist noch jung und voller Überraschungen.