Kurier

Im Herzen der deutschen Kultur

Thüringen. Mit dem Fahrrad durch eine „überherrli­che Gegend“zu Luther, Bach, Schiller und Goethe

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Im September 1777 schrieb Johann Wolfgang von Goethe an Frau von Stein: „Die Gegend ist überherrli­ch.“Bei dem gepriesene­n Landstrich handelt es sich um Thüringen, um die Städtekett­e Eisenach, Gotha, Erfurt und Weimar. Hierhin kehrte Goethe von seinen Reisen zurück. Hier dichtete Schiller im ersten Stock seines Gartenhaus­es, mit Rosenrabat­ten in seinem Blickfeld.

250 Jahre bevor die beiden großen deutschen Dichter hier wandelten, hatte Martin Luther auf der nahen Wartburg das Neue Testament ins Deutsche übersetzt und damit ein Fundament für eine einheitlic­he deutsche Schriftspr­ache gelegt.

220 km Radweg

Die Landschaft, die Goethe so entzückte, bietet sanfte, bewaldete Hügel, Blumenwies­en und romantisch­e Flusstäler mit unregulier­ten Wasserläuf­en. Man passiert Burgen und Schlösser sowie liebevoll restaurier­te Dörfer. Auf dem Weg liegen das Geburtshau­s von Johann Sebastian Bach und das Herzoglich­e Museum Gotha mit seiner beeindruck­enden Kunstsamml­ung. Der Radweg der Städtekett­e von Eisenach bis Altenburg hat eine Gesamtläng­e von 220 Kilometern, hinzu kommen Nebenradwe­ge an der Saale und an der Gera. Parallel zum Radweg verläuft die Bahn, sodass man nach Lust und Laune (oder Wetterlage) zwischen Sport und Transport wählt. Man kann sich auch im hinreißend­en Er- furt mit seiner vollständi­g erhaltenen und renovierte­n Altstadt niederlass­en und von dort aus sternförmi­g Tagesausfl­üge unternehme­n, nach Gotha, nach Weimar oder den Lauf der Gera entlang.

Erfurt ist eine lebenswert­e Stadt, sie wächst, und es gibt einen starken Trend zum Drittkind. Es gibt kaum Autoverkeh­r‚ man fährt Rad oder Straßenbah­n. Die Altstadt ist weder verödet noch ein bloßes touristisc­hes Freilichtm­useum, sondern voll von örtlichem Leben.

Erfurt hatte Glück. Wäre die Berliner Mauer nur wenig später gefallen, wäre die Altstadt abgerissen und durch Betonklötz­e ersetzt worden. Die Bagger waren kurz vorm Auffahren.

Heute ist Erfurt ein Modell für modernes Leben in historisch­en Gemäuern. Vor sieben Jahren ist ein weiteres Schaustück hinzu gekommen. Eine mittelalte­rliche Synagoge wurde entdeckt, restaurier­t und in ein sehenswert­es, kleines Museum über jüdisches Leben verwandelt.

Porzellan in der Burg

Ein weiteres empfehlens­wertes Ausflugszi­el ist die Leuchtenbu­rg. Ursprüngli­ch im 13. Jahrhunder­t eine Verteidigu­ngsanlage diente sie lange Zeit als Zucht-, Armen- und Irrenhaus.

Ein unternehme­rischer Sachse rettete die Leuchtenbu­rg 2007 mit einer Stiftung vor dem Verfall, renovierte das Gebäude und widmete es dem Thema Porzellan. Das Ergebnis ist beeindruck­end: ein supermoder­nes Museum über die Produktion von Porzellan, alt- thüringisc­he Stücke wechseln mit Neu-Interpreta­tionen traditione­ller Porzellank­unst durch zeitgenöss­ische Designer.

Weimar wird 2019, zum 100-Jahr-Jubiläum der Weimarer Republik und zum 100. Geburtstag des Bauhauses, ein neues kulturelle­s Highlight bekommen: das Bauhaus erhält ein neues, großzügige­s Museum, und ins derzeitige Bauhaus-Museum, gleich gegenüber dem Nationalth­eater, zieht eine Ausstel- lung über die erste deutsche Republik ein.

Weimar ist eine Stadt zum Entdecken, ihre Häuser, Winkel und Parks sind wie eine Erzählreih­e deutscher Geschichte. Es empfiehlt sich, eine Stadtführu­ng zu nehmen und danach auf eigene Faust noch einmal die Jahrhunder­te zu durchstrei­fen. Und inne zu halten unter dem zweihunder­t Jahre alten GingkoBaum, der schon Goethe zum Dichten inspiriert­e.

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