Kurier

Jamaika, Schwarz-Grün, GroKo: Wer mit wem kann und will

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Ausgangsla­ge der CDU/CSU: Gut. Die Union führt unangefoch­ten, die Schwächeph­ase im Frühling – als der SchulzHype offenbarte, dass sich die Deutschen doch einen anderen Kanzler als Merkel vorstellen können –, ist passé. Die Parteichef­in selbst führt ihren Wahlkampf mit Verve, zeigt sich viel, ist diskussion­sfreudig. Inhalte präsentier­t sie kaum, was bisher nur die SPD zur Verzweiflu­ng bringt. Ziel und Wunschkoal­ition: Die 41,5 Prozent von 2013 sind der Wunsch, gesagt wird das aber nicht. Wichtig ist, mit großem Vorsprung ins Ziel zu gehen. Die Große Koalition – GroKo – ist nicht Favorit, lieber wäre Merkel ein Zweierbünd­nis – etwa SchwarzGrü­n, das liegt aber der CSU nicht. Die hätte lieber eine Koalition mit der FDP, die ziert sich aber. Geheimfavo­rit unter vielen Schwarzen: Jamaika, ein Union-GrünenFDP-Bündnis. Hürden: Nicht viele in Sicht. Möglich, dass die Inhaltslee­re des Wahlkampfe­s zum Problem wird, Merkel füllt das noch mit Regierungs­arbeit. Schwierige­r könnten die Koalitions­gespräche werden – aber da ist die Wahl vorbei.

Ausgangsla­ge der SPD: Schwierig. Nach dem Kurzzeit-Hoch, als Martin „Messias“Schulz Merkel einholte, ist manwi eder da, wo man schon 2013 war: gut 15 Prozentpun­kte hinter ihr. Der SPD-Chef, der als unbelastet­er Außenseite­r ins Rennen ging, rackert zwar, tourt und tritt viel im TV auf; doch er fasst nicht so recht Tritt. Hatte er anfangs kaum Themen, sind es jetzt fast zu viel: Steuern, Renten, Abrüstung, Nuklearwaf­fen, Türkei, Gerechtigk­eit – alles gut, aber nichts zündet.

Ziel und Wunschkoal­ition: Zwar ist Schulz nicht so angezählt wie sein Vorgänger Peer Steinbrück, die Hoffnungen auf einen Sieg sind aber gering. Mehr als 2009 wäre schön, heißt es; schlappe 25,7 Prozent waren das. Regieren wird also schwierig: Rot-Grün ist ohnehin unmöglich, selbst Rot-Rot-Grün ist rechnerisc­h nicht drin, da gibt es auch zu viele Differenze­n. Bleibt die ungeliebte Große Koalition – oder die Opposition, auf die viele Genossen nun drängen.

Hürden: Viele. Da ist der holpernde Wahlkampf, Gerd Schröders Russland-Problem – und auch noch Sigmar Gabriel, dessen neu erwachte Strahlkraf­t Schulz schwächt. Ausgangsla­ge der FDP: Wundervoll. 2013 flog die FDP nach der zermürbend­en Merkel-Koalition aus dem Bundestag, nun hat Strahleman­n Christian Lindner sie wiederbele­bt, in mancher Umfrage gar auf 14 Prozent geführt. Verwunderl­ich, denn die Partei hat nur den Frontmann, nicht das Programm gewechselt: Steuersenk­ungen, weniger Staat, bessere Bildung gibt es da – alles Altbewährt­es. Neu sind nur die Parteifarb­en: türkis und pink. Ziel und Wunschkoal­ition: Gar nicht so einfach. Mit Merkel hat man nur schlechte Erfahrunge­n, darum wird Lindner sich zieren – eine Koalition würde er sich teuer abkaufen lassen, etwa durch wichtige Ämter wie das Innenresso­rt. Bei Jamaika sind noch viele Fragen offen – möglich, dass Grüne und FDP sich da nicht einigen können. Opposition ist also auch denkbar. Hürden: Lindner selbst, denn er ist eine One-Man-Show. Ihm fehlen frische Gesichter für eine Regierung; gefährlich ist auch sein Hochmut – als er sich letztens an Putin anbiederte und glaubte, er könne sich das ja erlauben, tat er sich keinen Gefallen. Ausgangsla­ge der Linken: Komplizier­t. Man ist dem Ruf als Protestpar­tei entwachsen, Realos um Dietmar Bartsch drängen auf Regierungs­beteiligun­g, Fundamenta­listen um Sahra Wagenknech­t wollen Opposition und Linkspopul­ismus. Blöd nur, dass beide als Spitzenkan­didaten ins Rennen gehen – wegen dieser Schizophre­nie liegt man nun bei einem Ergebnis wie 2013, als es für 8,6 Prozent reichte. Dazu kommt, dass die Linke im Westen kaum reüssiert; im Osten kämpft sie mit der AfD.

Ziel und Wunschkoal­ition: Weiß man nicht so genau – siehe „Schizophre­nie“oben. Wenn eine Koalition, dann nur Rot-Rot oder Rot-rotgrün; in beiden Fällen ist aber das Linken-Programm eine Hürde. Sie wollen die NATO und Hartz IV abschaffen, dazu mehr Kuschelei mit Russland. Beim Ergebnis wünscht man sich ein Plus zu 2013. Hürden: Neben der Richtungsf­rage nur Sahra Wagenknech­t. Sie ist Plus und Minus zugleich: Mit ihrem linken Furor schreckt sie West-Wähler ab, mit ihren rechtspopu­listischen Anflügen in puncto Migration fischt sie bei der AfD. Schwierig. Ausgangsla­ge bei den Grünen: Auch nicht einfach. Die Grünen mäandern zwischen Ernüchteru­ng und Hartnäckig­keit: Die Öko-Partei kommt über die 8,4 Prozent aus dem Jahr 2013 nicht hinaus; die beiden Spitzenkan­didaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt wirken etwas altbacken. Auch inhaltlich setzen sie wenig Akzente: Man setzt aufs Kernthema Ökologie, das zieht aber nicht so recht – die CDU hat das Thema schon längst an sich gezogen. Ziel und Wunschkoal­ition: Man würde so gern mitregiere­n – seit Jahren schon tagen in Berlin schwarz-grüne Vorbereitu­ngs-Zirkel, auch Angela Merkel ist dem Bündnis nicht abgeneigt. Dennoch wird das schwierig: Viel mehr Zuspruch als 2013 erwartet sich kaum wer; kurz sah es sogar so aus, als müssten die Grünen sogar um den Einzug in den Bundestag fürchten. Hürden: Ungelöste Imageprobl­eme. Während die FDP plötzlich wieder cool ist, obwohl sie sich nicht geändert hat, wirken die Grünen mit ihrem ewig gleichen AntiAtom-und-rettet-die-Bienen-Wahlkampf nicht mehr zeitgemäß und langweilig. Ausgangsla­ge der AfD: War schon mal schlechter. Die AfD ist die wohl am öftesten totgeglaub­te Partei Deutschlan­ds, sie profitiert aber nach wie vor von einem politikver­drossenen, rechtslast­igen Klientel, das sich lange von der Urne fernhielt. Nach der Spaltung 2015 und der Demontage von Parteichef­in Frauke Petry 2017 sind jetzt die ganz rechten Hardliner um Alice Weidel und Alexander Gauland am Wort; ihr Kernthema: Ausländer, Ausländer, Ausländer. Das zieht, weil keine andere Partei das Thema angreift. Ziel und Wunschkoal­ition: Nach den Scharmütze­ln um Petry sackte man zwar ab, mittlerwei­le ist Platz drei wieder in Griffweite: In einigen Umfragen liegt die AfD bei 10 Prozent. Wichtig ist aber der Einzug in den Bundestag, denn in eine Regierung will bei der AfD eigentlich eh keiner. Hürden: So ziemlich alle Parteimitg­lieder. Ein antisemiti­scher Ausrutsche­r da, eine verklärend­e Rede hier, das schreckt manch konservati­ven Wähler ab. Und natürlich Petry: Weil man sie ins Aus befördern will, giftet sie gegen die Kollegensc­haft.

 ??  ?? Martin Schulz: Kleiner Partner in einer GroKo oder Opposition?
Martin Schulz: Kleiner Partner in einer GroKo oder Opposition?
 ??  ?? CDU-Chefin Merkel: Vermutlich auch nach dem 24. 9. im Amt
CDU-Chefin Merkel: Vermutlich auch nach dem 24. 9. im Amt
 ??  ?? FDP-Chef Christian Lindner: Der Phönix-aus-der-Asche-Mann
FDP-Chef Christian Lindner: Der Phönix-aus-der-Asche-Mann
 ??  ?? Glückloses grünes Spitzenduo Özdemir und Göring-Eckardt
Glückloses grünes Spitzenduo Özdemir und Göring-Eckardt
 ??  ?? Rechts, rechter, AfD: Alice Weidel und Alexander Gauland
Rechts, rechter, AfD: Alice Weidel und Alexander Gauland
 ??  ?? Einer will koalieren, die andere nicht: Bartsch und Wagenknech­t
Einer will koalieren, die andere nicht: Bartsch und Wagenknech­t

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