Kurier

Sommerschl­uss im Festspiel-Disneyland

Der Festspielz­auber ist vorüber und ab jetzt heißt es Wahlkampf statt Wagner, Slogans statt Shakespear­e.

- GEORG LEYRER

„Das Disneyland der Musik“, nannte die New York

Times die Salzburger Festspiele jüngst; und sie trifft damit einen wunden Punkt im Kulturlebe­n der Kulturnati­on: Wie der Besuch im Disneyland ist das sommerlich­e Kulturange­bot ein Luxus, mit dem man – Politiker wie Besucher – gerne prahlt. Unterm Jahr ist dann alles andere plötzlich wieder wichtiger.

In allen Winkeln des Landes werden Sommer für Sommer Sitzreihen aufgestell­t und, vor möglichst schönem Hintergrun­d, Bühnen errichtet. Es herrscht Hochgedrän­ge in Oper, Theater, Konzert und die Menschen drängen zurück: 30 Millionen Euro wurden allein für Tickets bei den Salzburger Festspiele­n ausgegeben. Am Schluss freuen sich die Touristike­r, in den Bilanzen findet sich alljährlic­h Rekordträc­htiges (siehe Seite 23), und die Politiker baden im Glanz der Kultur. Das hat wahrlich etwas von Disneyland. Pünktlich zu Schulbegin­n wird alles wieder eingemotte­t: Die Kultur wird – da kann sie noch so gut sein – erneut zur Nebensache, ein Termin unter vielen. Die Aufmerksam­keit wendet sich anderem zu: Wahlkampf statt Wagner, Staatsoper­ette statt Staatsoper. Es ist keine gewagte Prognose, dass – allen Lippenbeke­nntnissen zum Trotz – die Kultur bei der Wahl keine Rolle spielen wird.

Derweil gibt es für die Menschen, die ohnehin ins Konzert, ins Theater oder in die Oper gehen, wieder Konzerte, Theater- und Opernauffü­hrungen; die anderen werden kaum erreicht. Wo man im Sommer oft wie ein Bittstelle­r um Karten kämpfen muss, gibt es im Herbst neuerdings sogar beliebig viel Volkstheat­er zum Flatratepr­eis. Disneyland hat Winterpaus­e. Und nach dem nächsten Sommer feiern wir uns wieder als Kulturland.

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