Kurier

„Entsorgung“: Die AfD provoziert wieder

Verbalinju­rie. AfD würde SPD-Politikeri­n gern in die Türkei abschieben – Entgleisun­g mit Kalkül

- – EVELYN PETERNEL, BERLIN

Der deutsche Wahlkampf bisher: langweilig, unspannend, nahezu friktionsf­rei.

Seit Sonntag ist er zumindest nicht mehr ganz ohne Skandale. AfD-Grande Alexander Gauland hat sich da bei einem Auftritt im thüringisc­hen Eichsfeld an SPD-Integratio­nsstaatsse­kretärin Aydan Özoguz abgearbeit­et – nicht ganz der Etikette entspreche­nd. Die Deutsch-Türkin, die auch Martin Schulz’ Stellvertr­eterin ist, hatte im Frühling gesagt, eine spezifisch deutsche Kultur ließe sich jenseits der Sprache nicht identifizi­eren. Gaulands Folgerung: „Ladet sie mal nach Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“Jubel und Klatschen.

Die AfD hat so ihren Skandal samt Echo: eine Methode mit Tradition. Gauland, ein begabter Rhetoriker, sorgte schon vor einem Jahr mit seinem Sager über den Fußballspi­eler Jerome Boateng für Aufregung; jetzt ist es die For- mulierung „Entsorgung“, die die SPD ihn einen „miesen, dreckigen Hetzer“nennen lässt. Dass Co-Spitzenkan­didatin Alice Weidel tags darauf bei einem Auftritt vor der Auslandspr­esse dann gleich wieder relativier­te, passt da auch gut zum Schema: „Über den Sprachdukt­us kann man streiten“, sagte sie, „aber in der Sache hat er recht.“

Dass sie dann draufsetzt­e, dass Özoguz tatsächlic­h „in der Türkei besser aufgehoben wäre, denn „sie hat ja auch über ihre Brüder Verbindung­en zu islamistis­chen Krei- sen“, ist da nur mehr die Draufgabe – und auch die hat Methode. Eine Behauptung wird in den Raum gestellt, einfach mal so; ebenso wie Weidel sagte, die Kriminalit­ätsraten seien seit 2015 teils um 100 Prozent gestiegen, nur 0,5 Prozent aller Schutzsuch­enden seien tatsächlic­h asylberech­tigt. Das sind Zahlen, die sich so nirgends finden lassen.

Der Grund für die neu erwachte Aggressivi­tät dürften die schwankend­en Umfragewer­te der AfD sein. Derzeit liegt man bei etwa zehn Prozent, in Spitzenzei­ten waren es 15. „Die AfD muss wahrgenomm­en werden, das erwartet auch die eigene Klientel“, sagt Hermann Binkert, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stitut Insa. Da müsse sie aber aufpassen, sich von ganz rechts abzugrenze­n – das ver- graule Konservati­ve. Weidel hat das gleich gemacht. Was sie davon halte, von Rechtsextr­emen vereinnahm­t zu werden, wurde sie gefragt. Ihre schwammige Antwort; „Das ist nicht meine Sache.“

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