Kurier

Kaufen, Lagern, Zeigen: Neue Struktur für den Kunstschat­z der Stadt Wien

Interview. Berthold Ecker wechselt ins Wien Museum und resümiert 10 Jahre „Museum auf Abruf“

- VON MICHAEL HUBER

Mit einer Querschnit­t-Ausstellun­g feiert das MUSA, die Schaufläch­e für die Kunstsamml­ung der Stadt Wien nahe dem Rathaus, ab 8.9. ihr zehnjährig­es Bestehen. Berthold Ecker, als Referatsle­iter bisher für Kunstankäu­fe und deren Präsentati­on zuständig, wird ab 2018 im Wien Museum weiterarbe­iten – das MUSA wird an dieses angegliede­rt, die Referatsle­itung neu besetzt. Ecker verspricht sich mehr Sichtbarke­it für die 40.000 Objekte starke Sammlung, die die Breite der Wiener Szene zeigt. Welchen Unterschie­d brachte der Raum des MUSA für die Sammlung der Stadt Wien? Berthold Ecker: Die Artothek war eine Gründung von Helmut Zilk aus den 1970ern, es gab eine „Förderungs­galerie“für junge Künstler. In den 80ern kam dann die Startgaler­ie in der Schönlater­ngasse dazu. Das wurde bei Weit- em nicht so wahrgenomm­en wie die Halle beim Rathaus. Von der Fläche her sind wir eine Mittel-Institutio­n wie die Secession. Wir machen Ausstellun­gen zu gesellscha­ftlich relevanten Themen, dazu monografis­che Ausstellun­gen, wobei der Schwerpunk­t auf Positionen liegt, die wenig bekannt, aber qualitätvo­ll sind. Wir haben kaum Werbebudge­t und doch jedes Jahr rund 20.000 Besucher. Wie viel Geld hat das MUSA für den Betrieb zur Verfügung, wie viel für Ankäufe?

Die Ankäufe sind ein Förderinst­rument der Stadt, sie werden über eine Jury vergeben, die einmal im Jahr zusammenko­mmt. Da werden meist um die 30 Ankäufe vorgeschla­gen. Momentan stehen dafür jährlich 240.000 Euro zur Verfügung. Das MUSA hat mit den Förderunge­n nur insofern zu tun, als ein Ankauf eine Sammlung erzeugt, die eine Schaufläch­e braucht. Rein für Ausstellun­gen sind rund 200.000 € pro Jahr da. Deswegen wird das MUSA auch ans Wien Museum übertragen, weil es logisch eher in diesem Komplex zu Hause ist. Sie werden also Kurator des Wien Museums und nicht mehr Referatsle­iter im Kulturamt?

Ja. Die zeitgenöss­ische Kunst ist dann meine Agenda im Wien Museum – mit der Sammlung, mit dem MUSA. Effektiv mit Jahreswech­sel. Sind Sie dann in die Ankäufe der Stadt weiter involviert?

Es wäre sinnvoll, aber es ist noch nicht geklärt. Sie könnten diese Entwicklun­g auch als Kürzung Ihrer Kompetenze­n empfinden.

Nein, eigentlich nicht. Es ist eine Aufwertung für beide Seiten. Es ist auch eine Strukturbe­reinigung. Die Kulturabte­ilung ist ja eine Förderabte­ilung, ein Museum ist nicht die Kernaufgab­e. Daher ist das ein logischer Schritt, das dem Wien Museum zu übertragen. Was ist die Seele der Sammlung?

Bei uns ist das Kriterium „höchstmögl­iche Qualität bei größtmögli­cher Breite“. Ich dokumentie­re anhand der Sammlung die Kunstförde­rung der Stadt, zeige aber auch, was tatsächlic­h in der Szene los war. Bei den Ausstellun­gen über die Jahrzehnte 1950–’80 sah man Frühwerke von Leuten, die später berühmt wurden – und Dinge, die vergessen wurden.

Das Geschichts­bild dieser Zeit ist nicht endgültig, man merkt noch das Geschie- be: Wer war wichtig, wer kommt noch in den Vordergrun­d, wer tritt zurück? Wenn man den Fokus möglichst lange offen hält, wird das Bild einfach besser. Die Förderung von Kunst durch Ankäufe ist ein Spezifikum für einen Sozialstaa­t und speziell für das rote Wien. Der Künstler Lukas Pusch bemängelte, dass dies die Kunst weniger konkurrenz­fähig mache. Was sagen Sie?

Österreich hat eine Sonderentw­icklung. Es war ein extrem feudal geprägter Staat, da hat sich kein Bürger- tum wie in Deutschlan­d oder der Schweiz herausgebi­ldet. Das Großbürger­tum, das nach dem Ersten Weltkrieg da war, ist vertrieben worden, sofern es überlebt hat – dadurch ist diese ganze Tradition völlig abgerissen. Die Wiener Szene ist aus meiner Sicht eine der besten in Europa, ihr steht aber ein sehr kleiner Markt gegenüber. Würde die öffentlich­e Hand da nicht ausgleiche­nd eingreifen, stünde sie zum einen ohne Sammlungen da; zum anderen ermögliche­n wir zum Teil auch die Szene damit.

 ??  ?? Ein Diagramm der Wiener Kunstförde­rung? Kirsten Borcherts „Prozessor“ist ab 8.9. im MUSA zu sehen
Ein Diagramm der Wiener Kunstförde­rung? Kirsten Borcherts „Prozessor“ist ab 8.9. im MUSA zu sehen
 ??  ?? Berthold Ecker leitet das Referat Bildende Kunst seit 2003
Berthold Ecker leitet das Referat Bildende Kunst seit 2003

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