Die Popweltrechnet ab
Video Music Awards. Aus dem Schaulauf der Eitelkeiten wurde heuer eine atemberaubend politische Show.
Als Amerika noch Amerika war, dienten die Video Music Awards – kurz: VMAs – vornehmlich dazu, den eigenen Prunk zur Schau zu stellen. Stars und ihre Entouragen wuselten über den Roten Teppich wie Bienen, die einander das Wort „Oberflächlichkeit“vortanzen wollen.
Auch das ist (dank Trump?) vorbei. Stars und ihre Entouragen gab es zwar heuer auch (inklusive einer 150.000 Dollar-Uhr am Arm des „Artist of the Year“, na hallo!), irgendwer hatte die Tür für die Realitäten da draußen offen gelassen. Fast jeder Act hatte also etwas zumindest sozialkritisches, wenn nicht sogar hoch politisches zu sagen.
Michael Jacksons Tochter, die Schauspielerin Paris Jackson brüllte ins Publikum, wie sehr man „diesen NaziWeiße-Vorherrschafts-Trotteln“zeigen müsse, dass das Land „null Toleranz für Gewalt, Hass und Diskriminierung hat. Wir müssen Widerstand leisten!“
Sängerin Pink wiederum sagte im Namen ihrer kleinen Tochter löblicherweise Geschlechterklischees den Kampf an. Sängerin Alessia Cara wetterte gegen Schönheitsideale bei Frauen, Sänger und Schauspieler Jared Leto gedachte der Verstorbenen Chris Cornell von Soundgarden und Chester Bennington von Linkin Park.
Rapper Logic sang beim darauffolgenden Auftritt mit Menschen, die einen Selbstmordversuch überlebt haben, von mehr Zusammen- halt, verbunden mit der Einblendung einer Telefonhotline für Suizidkandidaten.
Eher Markenpolitisch war der Beitrag Taylor Swifts, die ihr neues Video zeigte. „Look What You Made Me Do“hatte am Montag schon mehr als 18 Mio. Abrufe.
Abräumer Lamar
Sogar die Preise wirkten politisch: Rapper Kendrick Lamar (das rappende schlechte Gewissen Amerikas) gewann
den Award für das beste Video des Jahres für „Humble“. Insgesamt erhielt er an dem Abend sechs Preise. Im Kampf um den Titel als bester Künstler musste er sich dem Briten Ed Sheeran (der mit der 150.000-Dollar-Uhr) geschlagen geben.
Zur Stimmung des Abends passte auch das: Erstmals hatte MTV auch einen Preis in der Kategorie „Bester Kampf gegen das System“ausgelobt. Der Sender vergab ihn an alle sechs Nominierten zu gleichen Teilen, darunter K'Naan und John Legend, die mit ihren Videos auf die Lage von Einwanderern in den USA aufmerksam machten.
Sogar Moderatorin Katy Perry war politisch: „Das ist eine Abstimmung, bei der es tatsächlich auf die Mehrheit der Stimmen ankommt, aber beeilt euch, bevor noch irgendein willkürlicher russischer Popstar den Preis bekommt!“ätzte sie.