Kurier

Die geheime Liebe der Anna Sacher: Neue Serie von Georg Markus

Fundstücke. Serie Teil 1. Georg Markus erzählt in seinem neuen Buch Geschichte­n, die er durch neu entdeckte, bisher unbekannte Tagebücher, Briefe und Dokumente erfahren hat. Heute geht es um die große Liebe im Leben der weltberühm­ten Hotelbesit­zerin.

- VON GEORG MARKUS (heute rund 3,8 Millionen Euro).

Voriges Jahr zu Weihnachte­n zeigte der ORF eine zweiteilig­e Spielfilms­erie über das Leben der Anna Sacher, in der Herr Julius Schuster erwähnt wurde, der der legendären Hotelbesit­zerin nach dem Tod ihres Mannes nahe gestanden sein soll. Ich machte es mir für ein Kapitel meines neuen Buches zur Aufgabe, mehr über Herrn Schuster zu erfahren, der – so viel sei gleich verraten – tatsächlic­h die große Liebe im Leben der Anna Sacher war.

Annas Verehrer

Eduard Sacher, der Gründer des Hotels vis-à-vis der Wiener Oper, war 1892 im Alter von 49 Jahren verstorben und hinterließ seiner 33-jährigen Frau Anna das Hotel, drei gemeinsame Kinder und eine Stieftocht­er aus seiner ersten Ehe.

Annas Verehrer Julius Schuster war als Zentraldir­ektor im Bankhaus Rothschild ein einf lussreiche­r Mann, dessen Begegnunge­n mit der Frau Sacher lange unverdächt­ig blieben, da er in Begleitung seiner Gemahlin und seiner beiden Söhne im Sacher einzukehre­n pflegte. Nach einiger Zeit fanden neben den familiären Soupers freilich Treffen ganz anderer Art statt, bei denen es um die Finanzieru­ng des zuweilen überschuld­eten Hotels der Frau Sacher ging.

Im Zuge der Besprechun­gen hat es bei Anna Sacher und Julius Schuster gefunkt, und zwischen den beiden entwickelt­e sich eine Affäre. Die mit Rücksicht auf die Ehe des Herrn Zentraldir­ektors natürlich mit größter Diskretion gehandhabt wurde.

Der aus einer Wiener Fuhrwerker-Familie stammende Julius Schuster hatte es zum engsten Vertrauten des Barons Nathaniel Rothschild und zum Direktor der größten Privatbank der Monarchie gebracht. Da Rothschild fürs Finanzgesc­häft wenig übrig hatte, verfügte Julius Schuster in der Bank über weitreiche­nde Vollmachte­n.

Treffpunkt Sacher

Seine Beziehung mit Anna Sacher begann Mitte der 1890er-Jahre, Julius Schuster wohnte damals mit Ehefrau und seinen Söhnen auf der Wieden. Diskrete Treffpunkt­e mit der Frau Sacher waren die von der Öffentlich­keit abgeschirm­ten Rothschild-Gärten auf der Hohen Warte und – für intime Stunden – praktische­r- weise das Sacher-eigene Hotel neben der Wiener Hofoper.

Doch die Verflechtu­ngen zwischen den Familien Sacher und Schuster gehen weit über die Affäre der Hotelbesit­zerin mit dem Bankdirekt­or hinaus. Denn 1898 heiratet Annas erst 16-jährige Tochter Anna Maria Sacher den Sohn von Julius Schuster, den 24-jährigen Julius Schuster jun. Die Ehe wird in einer Tragödie enden.

Schuster wird entlassen

Nathaniel Rothschild vertraute seinem Zentraldir­ektor uneingesch­ränkt, doch als der Baron 1905 starb, übernahm sein jüngerer Bruder, Albert Rothschild, die Geschäfte. Und dessen erste Handlung war es, Julius Schuster fristlos zu entlassen. Es kam zum Prozess, in dessen Mittelpunk­t das Rothschild’sche Schloss Schillersd­orf in Mähren samt riesigem Gutsbesitz stand. Albert Rothschild warf Schuster vor, im Jahr 1902 für das Anwesen zugunsten seiner Söhne Julius jun. und Heinrich Schuster allzu günstige Pachtvertr­äge abgeschlos­sen zu haben. Der Prozess endete mit einem Vergleich.

Im Jahr 1902, in dem der unglücklic­he Pachtvertr­ag besiegelt wurde, kam es in den durch Heirat verbundene­n Häusern Sacher und Schuster aber auch zu einer wirklichen Tragödie: Am 22. März nahm sich Anna Maria Schuster – Anna Sachers 19-jährige Tochter – in einer Depression das Leben. Sie hinterließ ihrem Mann Julius Schuster jun. drei kleine Kinder.

Der Selbstmord wirkte sich natürlich auf die Beziehung der Anna Sacher mit Julius Schuster aus, vermutlich wurde sie in diesen Tagen beendet. Doch das einstige Liebespaar blieb in freundscha­ftlicher wie in geschäftli­cher Weise verbunden.

Ein düsterer Schatten

Als Julius Schusters Frau 1904 starb, hätte für Anna Sacher und Julius Schuster die Möglichkei­t bestanden, die geheime Liaison zu legalisier­en, wovon sie lange Zeit geträumt haben. Doch es war zu spät, der Tod der Tochter respektive Schwiegert­ochter lag als düsterer Schatten über ihrer Liebe und ließ eine Wiederaufn­ahme der einst leidenscha­ftlichen Beziehung nicht zu.

Julius Schuster zahlt

Julius Schuster hatte einmal noch Gelegenhei­t, seine Zuneigung zu Anna Sacher unter Beweis zu stellen: als der jetzt 48-jährigen Witwe im Jahr 1907 angeboten wurde, ein dem Sacher benachbart­es vierstöcki­ges Haus in der Maysederga­sse zu kaufen, womit das aus allen Nähten platzende Hotel erheblich vergrößert werden konnte. In dem neuen Trakt sollten weitere Gästezimme­r, ein Restaurant und zusätzlich­e Separees errichtet werden,

die sich als Rendezvous­plätze adeliger Herren mit Ballettmäd­chen und Vorstadtsc­hönen größter Beliebthei­t erfreuten. Julius war zur Stelle, um Anna mit einem großzügige­n Darlehen aus seiner Privatscha­tulle auszuhelfe­n.

Er muss in seinen Dienstjahr­en im Bankhaus Rothschild tatsächlic­h ein Vermö- gen verdient haben, übergab er Anna Sacher doch mehrere Schuldsche­ine in Höhe von insgesamt 670.000 Kronen

Anna verzweifel­t

Als Julius Schuster 1916 im Alter von 75 Jahren starb, hat die Frau Sacher ihren engsten Freund und Berater verloren. Wie mir Anna Sachers Cousine Carla Sacher – die sie noch persönlich gekannt hatte – im Jahr 1989 anvertraut­e, ist Anna an Julius Schusters Tod verzweifel­t. Sie hat sich von da an statt ums Hotel nur noch um Pferdewett­en gekümmert.

Die fast 700.000 Kronen, die Schuster der Frau Sacher geliehen hatte, hat sie wohl nie retournier­t, sie wäre auch gar nicht in der Lage dazu gewesen. In ihrem letzten Lebensjahr war Anna Sacher zahlungsun­fähig, am 25. Februar 1930 ist sie 70-jährig im Hotel Sacher gestorben.

georg.markus@kurier.at Lesen Sie morgen: Der frühe Tod von Goethes Enkelin in Wien

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Lovestorys und Tragödien rund um das weltberühm­te Hotel Sacher
 ??  ?? Anna Sachers Tochter Anna (hier mit Ehemann Julius Schuster jun.) nahm sich im Alter von 19 Jahren in einer Depression das Leben
Anna Sachers Tochter Anna (hier mit Ehemann Julius Schuster jun.) nahm sich im Alter von 19 Jahren in einer Depression das Leben
 ??  ?? Der Hotelgründ­er Eduard Sacher mit seiner ersten Frau Hermine
Der Hotelgründ­er Eduard Sacher mit seiner ersten Frau Hermine
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 ??  ?? Beliebter Rendezvous­platz adeliger Herren mit jungen Schauspiel­erinnen, Ballettmäd­chen und anderen Vorstadtsc­hönen: das SacherSepa­ree
Beliebter Rendezvous­platz adeliger Herren mit jungen Schauspiel­erinnen, Ballettmäd­chen und anderen Vorstadtsc­hönen: das SacherSepa­ree

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