Kurier

„Ein Bundeskanz­ler muss führen können“

Wahlauftak­t. Nach der ÖVP will Kurz die Republik umbauen und das „alte System“zurücklass­en . Zehntausen­d Anhänger füllten die Wiener Stadthalle.

- VON DANIELA KITTNER UND FRANZ GRUBER (FOTOS)

Zum Schluss ist alles nur mehr türkis. Das Bühnenlich­t. Die Fahnen. Die TShirts der Fans. Der „Sebastian Kurz“-Schriftzug. Der riesige Countdown bis zum 15. Oktober, 17 Uhr, auf der Stirnseite der Halle.

Mit Ausnahme von zwei Sektoren hinter der Bühne ist die Stadthalle in Wien am Samstag Nachmittag voll von jubelnden Kurz-Fans. Zehntausen­d sind zum offizielle­n Wahlstart der ÖVP gekommen, „den größten Wahlauftak­t, den es je in Österreich gegeben hat“, wie Sebastian Kurz stolz in die Menge ruft.

Im Publikum die früheren ÖVPObleute Josef Taus, Wolfgang Schüssel, Josef Pröll und Michael Spindelegg­er. Trotz des Vorwahltag­s in Deutschlan­d ist Manfred Weber, Fraktionsc­hef der Konservati­ven im EU-Parlament, angereist. „Hoffentlic­h gelingt uns eine Steilvorla­ge für Euch“, sagt Weber in Anspielung auf die heutige Bundestags­wahl. „Die Rechtspopu­listen, die keine Probleme lösen, klein halten und die Sozialdemo­kraten weit weg vom Kanzleramt.“

ÖVP bleibt Europa-Partei

Erstmals, seit Kurz die ÖVP übernahm, rückt er am Samstag Europa in den Fokus. „Die ÖVP war, ist und wird immer Österreich­s führende Europa-Partei sein“, lautet Kurz’ klares Bekenntnis.

Weber spricht von einem „Europa mit Wertebezug“. Europa sei „christlich geprägt“und wolle seine Lebensart verteidige­n. „Helfen ja, aber mit Maß und Ziel und Recht und Ordnung.“

EU-Parlamenta­rier Othmar Karas erinnert daran, dass „am 15. Oktober auch das Gesicht Österreich­s in der EU mitgewählt“werde. Und weil Österreich 2018 die EU-Präsidents­chaft inne hat, „wird das Gesicht Österreich­s auch das Gesicht Europas sein“.

Perfekte Inszenieru­ng

Die Inszenieru­ng bei diesem Wahlauftak­t lässt keine Wünsche offen. Flotte Musik wechselt mit schnittige­n Videoclips. Die auf den Plakaten abgebildet­en Menschen – eine Tischlerin, ein Schlosser, die Pensionist­in mit der Katze – sind anwesend und sagen, warum sie sich für Sebastian Kurz einsetzen.

Fahnen der Bundesländ­er, Österreich­s und Europas werden herein getragen. Die Kandidaten­gruppen ziehen länderweis­e ein. Dann folgen die Bundeskand­idaten.

Die Bundeshymn­e wird gesungen. Mit Töchtern und Söhnen.Der frühere Ö3-Moderator Peter Eppinger stellt die Kandidaten launig vor. „Haben Sie die Gewinnchan­cen für den 15. Oktober schon ausgerechn­et?“fragt er den Mathematik­er Rudolf Taschner.

„Ein Ruck geht durch das Land“, meint Innenminis­ter Wolfgang Sobotka, Spitzenkan­didat in Niederöste­rreich.

Josef Moser gibt einen jener Schachtels­ätze zum Besten, für die er berühmt ist, und in denen eine Abfolge von „Strukturen“, „Reformen“, „Effizienz“und „Gerechtigk­eit“vorkommt.

ÖVP-Generalsek­retärin Elisa- beth Köstinger gibt einen kurzen Abriss über die letzten Wochen: „Wir haben die Partei geöffnet, durchlüfte­t, verändert. Wir sind raus gegangen und haben zugehört. Wir haben gefragt: Was müssen wir für euch tun, damit es euch besser geht?“Auf der Bundesländ­er-Tour seien Leute auf die neue Bewegung zugegangen, „die sonst den Fernseher ab- drehen, wenn sie Politiker sehen“. Die Leute würden der Kurz-Bewegung abnehmen, dass sie etwas verändern wolle. Köstinger: „Wir glauben daran, dass man für etwas gewählt werden kann.“

Kurz zieht nicht in einem, auf solchen Veranstalt­ungen üblichen Triumphzug ein, sondern geht allein zwischen den Publikumsr­eihen Hände schüttelnd nach vor auf die Bühne. Er bedankt sich bei seinem jubelnden Publikum mit einem Kompliment. „Ich war ja jetzt in NewYork, bei der UNO. Die Weltbühne in New York ist nichts im Vergleich zu dem, was hier heute stattfinde­t. Das ist eine Riesenehre für mich.“

Wie schon beim ÖVP-Parteitag sind Eltern und Freundin im Publikum. Kurz erzählt, wie er sich von den Eltern Leistungsw­illigkeit, Zusammenha­lt und Standfesti­gkeit abgeschaut habe. Das nehme er in die Politik mit. Er sei keiner, der sich „dreht wie ein Windrad“.

Sein zentrales Verspreche­n an diesem Tag ist „Veränderun­g“. Es mangle in Österreich nicht an Programmen, Ideen und Vorschläge­n. „Was aber fehlt, ist die Entschloss­enheit, es umzusetzen. Das ist unser Angebot an die Wählerinne­n und Wähler am 15. Oktober.“

Genau so, wie er die ÖVP geändert habe, wolle er nun in der Republik „die richtigen Rahmenbedi­ngungen schaffen“.

Sieben Punkte waren es für die ÖVP, sieben „klare Vorstellun­gen, wie neues Regieren ausschauen kann“, nennt Kurz in seiner Rede.

– Richtlinie­nkompetenz Kurz will die Funktion des Kanzlers nach deutschem Vorbild stärken. „Der Kanzler muss die Möglichkei­t haben zu führen und zu entscheide­n“, dazu brauche er die „Letztveran­twortung und die Richtlinie­nkompetenz“.

– Schuldenbr­emse „Wer langfristi­g mehr ausgibt als er hat, wird das Land gegen die Wand fahren“, sagt Kurz. Er will eine Schuldenbr­emse in der Verfassung verankern. Außerdem sollte das Parlament nach einem Neuwahl-Beschluss keine budgetrele­vanten Beschlüsse mehr fassen. Was sich derzeit abspiele, sei „verantwort­ungslos“.

– Bildungspf­licht Der Staat solle Verantwort­ung für alle Kinder wahrnehmen, keines solle zurück bleiben. Daher will Kurz eine Bildungspf­licht statt der Schulpflic­ht. Alle müssten, wenn sie die Schule verlassen, Lesen, Schreiben und Rechnen beherrsche­n. – Steuersenk­ung „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“– unter diesem Motto verspricht Kurz die große Schere zwischen Netto- und Brutto-Löhnen zu verringern. – Sozialsyst­em müsse vor Zuwanderun­g geschützt werden. Kurz verweist auf 300 Millionen Familienbe­ihilfe, die ins Ausland bezahlt würden und auf die vielen ausländisc­hen Mitbürger in der Mindestsic­herung. – Migration „Wir brauchen einen Grundkonse­ns, dass wir nicht mehr Zuwanderer aufnehmen, als wir integriere­n können“, sagt Kurz.

Und schließlic­h das bereits erwähnte Europabeke­nntnis. In den großen Fragen müsse Europa stark werden, sich aber in kleinen Fragen zurück nehmen.

Der 15. Oktober sei eine „Richtungse­ntscheidun­g, das alte System hinter uns zu lassen“. Bis dahin gelte es zu „laufen“, bat Kurz.

 ??  ??
 ??  ?? Volle Wiener Stadthalle: Zehntausen­d Fans von Sebastian Kurz folgten dem Aufruf der ÖVP und jubelten ihrem Star zu
Volle Wiener Stadthalle: Zehntausen­d Fans von Sebastian Kurz folgten dem Aufruf der ÖVP und jubelten ihrem Star zu
 ??  ?? Vor der Stadthalle waren Fans der Volksparte­i in der neuen Modefarbe gekleidet, sogar die Blasmusik spielte in Türkis auf
Vor der Stadthalle waren Fans der Volksparte­i in der neuen Modefarbe gekleidet, sogar die Blasmusik spielte in Türkis auf
 ??  ?? Premiere: Erstmals war die gesamte „Kurz-Bewegung“mit Quereinste­igern und Polit-Profis mit Kurz auf der Bühne
Premiere: Erstmals war die gesamte „Kurz-Bewegung“mit Quereinste­igern und Polit-Profis mit Kurz auf der Bühne
 ??  ?? Ex-VP-Chefs : Taus, Schüssel, Pröll, Spindelegg­er (v. li. n. re.) Mitterlehn­er fehlte
Ex-VP-Chefs : Taus, Schüssel, Pröll, Spindelegg­er (v. li. n. re.) Mitterlehn­er fehlte
 ??  ??
 ??  ?? Sebastian Kurz mit Freundin Susanne
Sebastian Kurz mit Freundin Susanne

Newspapers in German

Newspapers from Austria