Kurier

„Ohne den Pilz geht in der Politik nix“

Reportage. Der Ex-Grüne genießt einen Solo-Auftritt im Wahlkampf und will verlorene Stimmen der Öko-Partei einfangen. Der KURIER begleitete ihn in Salzburg.

- VON (ehemalige SPÖ-Landeshaup­tfrau von Salzburg, Anm.)

„Ich bin zwei Mal in meinem Leben fremdgegan­gen“, erklärt ein älterer Mann mit erhobenem Zeigefinge­r. „Ein Mal mit der Gabi Burgstalle­r

und jetzt mit Ihnen.“Sonst wählt er ÖVP, diesmal Peter Pilz, will er damit sagen.

Dem fällt vor Freude fast das Besteck für seinen Ochsenbrat­en aus der Hand, aber die braucht er eh an diesem Nachmittag am Rupertikir­tag in Salzburg – zum Handschütt­eln, zum Schulterkl­opfen, einmal zum Andeuten von Klapsen auf das lederbehos­te Hinterteil eines Passanten, der ihn scherzhaft mit „Herr Kurz, äääh, Pilz“anspricht.

„Wahlkampf, bei den Leuten sein“: Peter Pilz mag das. Und das merkt man nicht nur da- ran, dass er diesen Satz mehrmals wiederholt, sondern auch daran, dass der Wiener bei seinem Rundgang am Kirtag gleich für mehrere Stunden das Handy eingesteck­t behält. Der Ex-Grüne, sonst quasi permanent am Telefon, hat sichtlich Spaß an der Begegnung mit potenziell­en Wählern, wechselt nahtlos von Dialekt („Des g'freit mi oba“) in Wiener Schönsprec­h („Es geht mir um Gerechtigk­eit“) – je nachdem, ob er gerade Schmäh führt oder seine Themen erläutert.

Als Spitzenkan­didat einer eigenen Liste sei es auch angenehmer als in den vergangene­n 31 Jahren bei den Grünen, sagt Pilz (63), einer der Gründer der Öko-Partei: „Wenn du als Grüner in manche Regionen gekommen bist, haben sich die Leute weggedreht.“

„Aufdecker der Nation“

Nach seinem Ausstieg, eingeleite­t beim Bundeskong­ress der Grünen Ende Juni, und der Neugründun­g seiner „Liste Pilz“labt sich der 63-Jährige ausgiebig am Zuspruch jener, die den „Aufdecker der Nation“weiterhin im Parlament sitzen haben wollen. „Ah, der Peter. Eine Legende“, ruft man ihm da von Weitem zu, „ohne den geht in der Politik gar nix“.

An vier Tagen besuchen um die 150.000 Menschen den Rupertikir­tag in der Salzburger Altstadt. Eine Gelegenhei­t, die einige Wochen vor der Nationalra­tswahl alle Parteien nutzen und ihre Wahlhelfer ausschwärm­en lassen. Pilz’ Gefolgscha­ft ist bunt gemischt: Studenten, Pensionist­en, Unternehme­r, Hackler. Rund 200 aktive Helfer sollen es mittlerwei­le sein, die Flyer und Regenschir­me mit dem Slogan „Ja, es geht!“verteilen.

Knapp verpasst hat Pilz am Donnerstag­nachmittag ÖVP-Minister Wolfgang Sobotka – der hat sich am Kirtag nach dem Sicherheit­sbedürfnis in der Mozartstad­t erkundigt. „Die Österreich­er gehören vor drei Dingen geschützt“, zählt Pilz bei einem Seidel Bier in launiger Runde auf: „Vor Rechtsradi­kalismus, vor dem politische­n Islam und vor dem Innenminis­ter.“Sicherheit – das ist sein Thema, da kennt er sich aus. In Polizei- und Geheimdien­stkreisen ist Pilz bestens vernetzt, hat sich durch Aufdecker-Arbeit in den Causen Lucona und Eurofighte­r einen Ruf erarbeitet. „Kontrolle. Dafür wollen die Leute mich im Parlament haben“, sagt er über seine Rolle.

In Umfragen liegt die Liste bei rund vier Prozent, Pilz und seine Anhänger sind aber fest davon überzeugt, ein zweistelli­ges Ergebnis zu schaffen. Über seine Ex-Partei will er nicht mehr sprechen, nur so viel: „Ich will den Grünen nichts wegnehmen, sondern die Hunderttau­senden Stimmen, die sie selbst vertrieben haben, in mein neues Projekt holen.“Die Protest- bzw. die Nichtwähle­r, erklärt er, „um die kämpft man hier am Rupertikir­tag, nicht in irgendeine­m Wiener Bobo-Lokal“.

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